Wenn jemand dich fragt, wer ist eigentlich Aya Jaff, was antwortest du dann dieser Person?
Ich habe lange gebraucht, einen Begriff zu finden, der mich am besten beschreibt. Letztendlich nehme ich mir die Freiheit, drei Begriffe zu nennen, mit denen ich mich wohlfühle: Gründerin, Autorin und Keynote-Speakerin.
Woher nimmst du den Antrieb und die Motivation, dich immer wieder neu zu erfinden bzw. dich für Neues zu begeistern?
Tatsächlich kommt die Motivation für die meisten meiner Dinge davon, dass ich persönlich ein Problem gefunden habe, das mich so sehr nervt, dass es mich dazu verleitet, die ersten Schritte einzuleiten. Es muss nicht immer gleich ein Projekt oder eine neue Gründung bedeuten, sondern es ist vielmehr weiteres Fragenstellen. Immer, wenn ich ein paar Ebenen tiefer über ein Problem nachgedacht habe, hatte ich das Gefühl, dass ich das Problem auch für viele weitere Menschen lösen könnte. Wenn das der Fall ist, dann suche ich mir Mitstreiter und wir machen uns daran, das Problem aus der Welt zu schaffen.
Du bist Gründerin, Unternehmerin, Traderin, viel als Speakerin unterwegs – welche dieser Disziplinen begeistert dich am meisten und warum?
Für mich vereinen diese Berufsbezeichnungen immer wieder dieselbe Disziplin, nämlich damit komfortabel zu sein, ins kalte Wasser zu springen. Ich vergleiche beispielsweise das Keynote-Speaking und meine Angst vor der Öffentlichkeit zu stehen damit, ins kalte Wasser zu springen. Ich musste mich daran gewöhnen.
Besonders jetzt in der Coronakrise begegne ich nach langer Zeit wieder vielen großen Menschenmassen. Bei dem Thema Start-up würde ich mich mit einem einsamen Wolf vergleichen, der eine Idee hat. Dieser muss auch zunächst überlegen, ob die Idee erfolgreich sein könnte. Bei mir ist das so, dass ich für eine ganze Weile erst einmal alleine an der Sache dran bin, um herauszufinden, ob es auch thematisch zu mir passt. Auch das ist für mich kaltes Wasser. Es ändert sich der Tagesablauf und die Aktivitäten und dafür, finde ich, sollte man offen sein. Ich würde daher sagen, dass ich mich dabei als Start-up-Gründerin am wohlsten fühle.
Was war der ausschlaggebende Impuls für deine Karriere als Schriftstellerin und das Buch “Moneymakers”?
Ich hatte auf keinen Fall den Anspruch, ein literarisches Meisterwerk zu schreiben. Die letzten fünf Jahre stand vor allem das Börsenplanspiel, das ich mitentwickelt habe, im Vordergrund. Ich habe mich mit den größten Fragen
beschäftigt, die sich Jugendliche stellen, bevor sie eine Aktie kaufen. Was ist deren Motivation für den Kauf einer Aktie? Wie kann ich dafür sorgen, dass sich noch mehr Menschen mit diesem Thema auseinandersetzen, die vielleicht sogar negative Glaubenssätze über Geld und über sich selbst haben? Ich wollte ein Buch schreiben, das ich gerne in ihrem Alter gelesen hätte. Als 15-16-Jährige habe ich in der Bibliothek alles gelesen, was mir in die Hände kam und am Ende dachte ich mir, ich hätte damals gerne “Moneymakers” in der Hand gehabt – ein Buch, das mir anhand von Topbeispielen easy und ohne Fachbegriffe erklärt, was genau Angebot und Nachfrage ist und wieso es mich interessieren sollte.
Du kennst aus eigener Erfahrung das knallharte Geschäft an der Börse und im Business – wie glaubst du, schafft man es, dabei authentisch zu bleiben?
Das ist eine super Frage. Es ist auf jeden Fall nicht einfach gewesen, meine eigene Stimme zu finden, weil jede
einzelne Branche ihren „Prototyp Mensch“ hat, der da gerne aktiv ist, sowohl in der Start-up-Welt, als auch in der Finanzwelt. Lange Zeit dachte ich, ich muss genauso aussehen wie die Leute, die in dieser Branche unterwegs sind. Das mag jetzt vielleicht witzig klingen, aber mit 15 oder 16 Jahren ist man super einfach zu beeinflussen und ich habe mich dann auch ertappt, wie ich dachte, dass Jeans und Rollkragenpullover einfach der beste Fit für mich seien. Dann habe ich aber gemerkt: Oh Mann – da versuche ich eigentlich nur Menschen zu kopieren! Nach ein paar Jahren hat man auch das nötige Selbstbewusstsein, eigene Wege zu beschreiten. Trotzdem stellt man sich die Frage: „Habe ich das Gefühl, dass das wirklich ich bin?“. Stellt man sich oft genug diese Frage, wird man mit jeder Antwort authentischer. Authentisch sein ist kein „on and off switch“, sondern eine bewusste Entscheidung, zu sagen: „Heute mache ich wirklich das, was mich glücklich macht und nicht was andere denken, was mich glücklich machen würde“.
War es schwierig, sich als junge Frau in einer von Männern dominierten IT-Welt zu behaupten und wenn ja, welchen Rat würdest du auf Basis deiner Erfahrungen anderen Frauen mit auf den Weg geben wollen?
Ich kann für mich sagen, dass ich in der Tech-Branche auf jeden Fall mit offenen Armen begrüßt wurde. Ich habe zwar nicht super viele Leute gesehen, die den gleichen Hintergrund haben wie ich – also sprich Migrationshintergrund und eine Frau sind. Am Anfang hat mir das auch nichts getan, nur nach einer Zeit vermisst man es, Menschen zu sehen, die einem ähnlich sind. Ich habe mich dann mehr mit Programmen beschäftigt, die Frauen fördern und habe mich auch für diese Sachen beworben. Beim Bewerben von Diversitytickets habe ich gemerkt, dass es wirklich Möglichkeiten gibt, als Frau an diesen Programmen anzudocken. Nichtsdestotrotz ist das Internet ein riesengroßer Ort, an dem viele Menschen miteinander kommunizieren. Bei Artikeln, in denen es um mich geht, liest man dann Kommentare wie „Das ist doch die Quotenfrau“ oder „Sie hat das doch gar nicht verdient, auf dieses Cover zu kommen“. Dass man sich als Frau extra beweisen muss und nochmal extra aufzählen muss, warum man etwas verdient hat, finde ich sehr schade. Aber wir machen auf jeden Fall Fortschritte in unserer Gesellschaft, was diese Konversation angeht.
Wie ist grundsätzlich deine Einstellung zum Thema Diversity in allen Dimensionen?
Gendern bringt auf jeden Fall etwas, um einen kleinen Wandel, zumindest im Kopf, zu erfüllen. Aber es braucht viel mehr als das. Es braucht nicht nur die Quote, sondern auch ein Umdenken in der Gesellschaft. Dass der Begriff
„Quotenfrau“ schon als negativ aufgenommen wird, finde ich ja schon komisch. Es ist nicht einmal ein 50/50 vorhergesehen – man erwartet also nur das Mindeste vom Unternehmen. Das allein hat schon ein negatives Stigma. Das heißt, darüber zu reden, dass man vielleicht sogar stolz ist, irgendwo die Quotenfrau zu sein, finde ich wichtig als Frau. Es ist nichts, wofür man sich schämen muss. Es ist etwas, wofür sich eigentlich ein Unternehmen schämen muss, wenn es so etwas einführen muss.
Was möchtest du den Teilnehmern:innen auf dem d.velop forum in deinem Vortrag vermitteln?
Auf dem d.velop forum 2021 würde gerne darüber reden, was es bedeutet hat, den Begriff Digitalunternehmerin für sich zu definieren und was das in der heutigen Zeit als junge Person bedeutet. Vielleicht auch als Person, die sich sogar über die Fridays-for-future-Bewegung identifiziert. Dabei habe ich mir die Fragen gestellt:
- Wie muss man das neu definieren?
- Welche neuen Werte stehen im Vordergrund und
- was kann ich wirklich als Einzelperson machen, um auch dieser Bewegung, die gerade auf den Straßen stattfindet, noch mehr Wind zu verleihen?
Bitte vervollständige: Digitalisierung bedeutet für mich …
…zum einen das Vereinfachen von Prozessen, da man besser einsehen kann, wie sie funktionieren und welche Schritte die nächsten sind. Zum anderen auch das Beschleunigen von Prozessen. Ich kann von überall Formulare ausfüllen, ich kann von überall Prozesse einsehen und vereinfachen, ich kann von überall mit meinem Team sprechen und Dinge in die Wege leiten, die nicht ortsgebunden sind. Das steht für mich in der Digitalisierung an erster Stelle. Also wirklich sehr relevant: Vereinfachen und Beschleunigen.
Wer ist Aya Jaff?
Aya Jaff ist Traderin, Gründerin, Autorin und Speakerin. Bereits in jungen Jahren sammelte Aya Erfahrungen als Coderin arbeitete international für Firmen wie Hyperloop Transportation Technologies.
Sie war außerdem CTO für das größte soziale Börsenplanspiel Deutschlands: Tradity. Über ihre Erfahrungen und Learnings in der Finanz- und Techwelt erzählt sie in ihrem SPIEGEL-Bestseller Buch „Moneymakers“.
Darüber hinaus war Sie bereits auf der Forbes 30 under 30 Liste 2019 und zierte das Cover des Magazins Business Punk.