Souveräne Cloud: Unabhängigkeit und Sicherheit in der digitalen Welt

Veröffentlicht 14.04.2025

Daniel Schellhase Chief Product Manager Open Telekom Cloud

Beitragsbild Souveräne Cloud

Der Begriff „Souveränität“ ist in aller Munde – besonders, wenn es um Cloud-Technologien und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz geht. Doch was steckt hinter dem Buzzword „Souveräne Cloud“? Welche regulatorischen Entwicklungen prägen den Markt? Und wie hängen Themen wie Datenschutz, technologische Unabhängigkeit und KI eigentlich zusammen? Im Interview mit Daniel Schellhase, Leiter des Produkt- und Portfolio-Managements sowie des Marketings der Open Telekom Cloud bei T-Systems, sprechen wir über aktuelle Trends, Herausforderungen und Chancen rund um digitale Souveränität – und warum Unternehmen gerade jetzt genauer hinschauen sollten.

Was bedeutet eigentlich „Souveräne Cloud“?

d.velop blog: Aktuell scheint der Begriff „Souveränität“ und im Speziellen „Souveräne Cloud“ zum geflügelten Wort zu werden.. Warum ist das so? Und was versteht man überhaupt unter „souveräner Cloud“? Nur, damit wir alle über dasselbe sprechen.

Daniel Schellhase: Der Begriff der Souveränität hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wahren Hype-Thema entwickelt. Das liegt an der aktuellen geopolitischen Lage. Souveränität bedeutet nichts anderes, als dass ich unabhängig und selbstbestimmt bleibe. Im Cloud-Umfeld kann dieser Begriff nochmals in „Daten-“, „Betriebs-“ und „Technologie-Souveränität“ zerlegt werden. 

Aus Kundensicht ist das Thema sehr einfach zusammenzufassen: Unsere Kunden möchten die absolute Hoheit über ihre Daten behalten und sicherstellen, dass Daten sicher sind. Wo früher noch der Standort des Rechenzentrums entscheidend war, spielt heute auch der Betreiber der Cloud eine große Rolle. Wer verwaltet eigentlich die Cloud-Umgebung und legt Hand an diese? Welcher Gesetzgebung unterliegt der Betreiber? Das alles fasst der Begriff der „Betriebssouveränität“ zusammen. Wähle ich etwa eine souveräne Cloud (ich persönlich sage dazu gerne „EU-Cloud“), dann möchte ich als Kunde, dass alle Mitarbeitende der europäischen Gesetzgebung unterliegen. Und das Thema Gesetzgebung und Regulierung wird ja immer größer. Viele Unternehmen und Organisationen möchten sich zukunftssicher ausrichten und der schier endlosen Diskussion über bspw. Telemetriedaten entkommen.  

Regulierung als Treiber für digitale Unabhängigkeit

d.velop blog: Du hast das Thema Gesetzgebung und Regulierung erwähnt? Worauf muss man sich hier in den nächsten Jahren einstellen?

Daniel Schellhase: Wir sehen aktuell immer mehr Regulierungen auf uns zukommen. Für Kunden wird es, so meine Wahrnehmung, immer schwieriger, einen Überblick über die vielfältigen Anforderungen zu behalten. Aber werfen wir erst mal einen Blick auf die Europäische Union. Aus der EU kommen immer mehr Digital-Aktivitäten. All diese haben, vereinfacht gesagt, ein gleichgeartetes Ziel: Souveränität und Sicherheit. Nehmen wir als Beispiel den „European Chips Act“. Dieser hat zum Ziel, die Mikrochip- und Halbleiter-Industrie in Europa zu stärken. Hier sieht die EU eine große Abhängigkeit bei wachsender Nachfrage nach „Chips“. Mittlerweile sind vielfältigste Produkte mit Mikrochips versehen. Unser „Zuhause“ wird immer smarter und dadurch wächst auch der Bedarf an Mikrochips, die in entsprechenden Produkten verbaut sind. Beispielsweise hat die Knappheit an Mikrochips ja spürbar negative Auswirkungen auf die europäische Autoindustrie. Das konnten wir alle wahrnehmen. Und mit dieser Aktivität stärkt die EU nun die Halbleiter-Industrie hier in Europa und senkt damit die Abhängigkeit von der globalen Chip-Verfügbarkeit.

Aber es gibt auch den Data Act. Dieser regelt das Besitzverhältnis von Daten. Daten, die aus der Nutzung eines IoT-Geräts generiert werden, “gehören“ künftig uns als Anwendende der Geräte. Und ich, der Anwender, entscheide, was ich damit tue oder wem ich diese zur Verfügung stelle. Aber auch für Kunden von Cloud-Anbietern entstehen Vorteile. Der Data Act definiert, dass wir als Cloud-Anbieter beispielsweise keine kaufmännischen oder technischen Barrieren einbauen dürfen, die einen Wechsel des Cloud-Anbieters verhindern, blockieren oder zumindest eine „Wechsel-Barriere“ erstellen. Das zahlt in den dritten Aspekt der Souveränität ein, der Technologie-Souveränität. Dieser hat zum Ziel, dass man einen sogenannten „Vendor-Lock-in“ verhindert, also die (technische) Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter.

KI als Gamechanger – Chancen für Unternehmen

Ich denke, dass die wirklich sinnvolle Nutzung von KI im Unternehmenskontext ein deutlicher Wettbewerbsvorteil werden wird.

Daniel Schellhase
Chief Product Manager Open Telekom Cloud bei T-Systems

d.velop blog: Wenn wir ein Interview über Trends führen, kommen wir natürlich um das Thema „Künstliche Intelligenz“ nicht herum. Wie siehst du diesen Trend?

Daniel Schellhase: Das Thema KI finde ich spannend. Vor ChatGPT war es für uns alle nur ein Begriff und nicht wirklich greif- oder anfassbar. Aber ChatGPT hat das Thema greifbar gemacht und zeigt uns auf, was mit KI alles möglich ist. Ich denke, dass dies der Startschuss des KI-Zeitalters war – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. So wie das iPhone das Smartphone-Zeitalter eingeläutet hat. Ich sehe eine starke Veränderung schon bei mir. Die Google-Suche ist nicht mehr das Erste, was ich aufrufe, wenn ich nach Informationen suche. Und ich erwische mich auch dabei, wie ich seit ChatGPT einen anderen Maßstab für Sprachassistenten ansetze. Egal, ob ich im Auto unterwegs bin oder „smarte Lautsprecher“ bediene. Unsere Erwartungshaltung hat sich gravierend geändert. Unternehmen können das auch positiv für sich nutzen, und ich denke, dass die wirklich sinnvolle Nutzung von KI im Unternehmenskontext ein deutlicher Wettbewerbsvorteil werden wird.

Der Schlüssel zu neuen Wettbewerbsvorteilen

d.velop blog: Welche Wettbewerbsvorteile siehst du konkret? Wie können diese generiert werden?

Daniel Schellhase: Nehmen wir mal ein sehr einfaches Beispiel. Wenn wir Fragen zu Produkten haben, dann rufen wir heute immer noch vermehrt bei Hotlines an. Oder man leitet uns erst durch einen Prozess, wo wir irgendwelche Dokumente lesen oder FAQs durchforsten sollen. Aber warum sollte ich heute überhaupt noch mit einem Menschen sprechen wollen? Dieser muss erst auf die Produkte trainiert werden. Dann bin ich als Fragender abhängig vom Trainingsstand des Personals, der Erfahrung des Mitarbeitenden und vielen weiteren Parametern. Komme ich direkt bei einer KI heraus, dann wird mir das als Unternehmen und als Kunden Vorteile bieten. Die KI wird das gesamte Wissen haben. Einmal antrainiert, wird sie mir definitiv die passende Antwort auf jegliche meiner Fragen liefern. Ich komme also wesentlich schneller an wahrscheinlich qualitativ hochwertigere Antworten. 

Nehmen wir ein anderes Beispiel, und zwar den Vertrieb von Produkten oder Dienstleistungen. Viele Menschen müssen heute Ausschreibungen beantworten. Ein Katalog aus 100-300 Fragen möchte ausgefüllt werden. Ein mit Produktinformationen antrainiertes KI-Modell kann mir helfen, eine hochkomplexe Ausschreibung in kürzester Zeit zu bearbeiten. Wo ich heute noch eine gesamte Organisation beschäftige, erhalte ich zukünftig per Knopfdruck alle Antworten und kann qualitativ besser und schneller antworten. Der zielgerichtete Einsatz von KI wird also zu Wettbewerbsvorteilen führen. Das werden wir relativ schnell und deutlich sehen. 

Souveränität und KI: ein Widerspruch? Ganz im Gegenteil!

d.velop blog: Wie spielen die beiden Themenkomplexe KI und Souveränität zusammen? Schließt sich das nicht aus, wenn man bedenkt, wo die großen Large Language Models ihre Informationen beziehen, mit denen sie trainiert werden? 

Daniel Schellhase: Nehmen wir mal an, dass ich eine KI wirklich mit all meinen Produktinformationen füttere und das Wissen meiner Produkte nun in einer KI liegt. Dann liegt dort evtl. auch das gesamte Wissen über meinen Wettbewerbsvorteil. Und als Unternehmen möchte ich dieses Wissen ja nicht für jedermann zugreifbar machen. Also würde ich diese KI nur bei einem absolut vertrauenswürdigen Cloud-Anbieter aufbauen, der die notwendige Souveränität mitbringt. Wie ich bereits bei der ersten Frage sagte. Souveränität bedeutet, dass ich die absolute Hoheit über meine Daten besitze. Und KI ist im Grunde nichts anderes als aus Daten generiertes Wissen. Damit erklärt es sich für mich von selbst, dass KI und eine Souveräne Cloud gut zusammenpassen. Vor allem, wenn wir uns im regulierten Umfeld mit hochsensiblen Daten bewegen. 

d.velop blog: Vielen Dank für das spannende Interview. Wir freuen uns auf deine Keynote auf dem d.velop SUMMIT 2025 mit dem Titel „Die unsichtbare Festung: Resilienz & Ausfallsicherheit in der Cloud“.

Deine Agenda für das Digitalisierungsevent des Jahres

Entdecke deine Agenda-Highlights auf dem d.velop SUMMIT 2025. Freue dich auf Impulse, Best-Practices und Deep Dive in Technologien und Trends.