In einer sich ständig im Wandel befindenden Welt ist es schwierig, die Zukunft genau vorherzusagen. Trotzdem gehört Magnus Lindkvist zu den Zukunftsforschern, die gerne Wörter wie „jemals“ und „nie“ verwenden. Im Interview erklärt Magnus Lindkvist als Vorbereitung auf das d.velop forum 2023 seine Ansichten zu Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz, Robotik und den Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Persönliches vs. Professionelles: Wer ist Magnus Lindkvist?
d.velop blog: Wenn dich jemand fragt, wer Magnus Lindkvist ist und was er macht, was antwortest du dann?
Magnus Lindkvist: Meine berufliche Antwort lautet: Ich bin Autor von sieben Büchern über Trendspotting und Future Thinking. Ich denke, schreibe und spreche gerne über alles, was die Zukunft betrifft.
Meine persönliche Antwort wäre ein schwedischer Mann mittleren Alters, zu sensibel für soziale Medien und mit leichter Flugangst. Außerdem bin ich ein schlampiger Leser von The Economist.
Die Bedeutung von Digitalisierung aus Sicht eines Zukunftsforschers
d.velop blog: Was bedeutet die Digitalisierung für dich?
Magnus Lindkvist: Wenn wir über das Klischee hinausblicken, das es geworden ist, geht es bei der Digitalisierung darum, Dinge – Sachen, Aktivitäten, Unternehmen, Transaktionen usw. – in kleine Teile zu zerlegen und sie auf eine bessere und schönere Weise wieder zusammenzusetzen. Wie bei Lego.
Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt
d.velop blog: Wie wird sich die Digitalisierung in den nächsten Jahren auf die Arbeitswelt auswirken?
Magnus Lindkvist: Wir stecken momentan im „Hybridmodus“ fest. Die Spanne zwischen Digitalisierung und Nicht-Digitalisierung war noch nie größer.
Ich erwarte, dass die Work-from-home-or-anywhere-Crowd den Weg anführen wird. Ich erwarte, dass Cloud/SaaS den Weg weisen wird, und ich erwarte, dass die Arbeitsweise von Scrum/ Improvisations-Arbeitsweise dazu beiträgt, dass es sichtbar wird. Aber es wird weder reibungslos noch friedlich verlaufen. Fabriken haben immer noch Schrauben und Muttern zu verkaufen, und Cafés brauchen immer noch Reinigungskräfte.
Die Rolle von AI und Robotik in der Zukunft: Chancen und Risiken
d.velop blog: Welche Rolle werden KI und Robotik in der Zukunft spielen? Was sind die Chancen und Risiken?
Magnus Lindkvist: Wir haben heute noch keine KI im Sinne einer echten Intelligenz. Wir haben maschinelles Lernen, das riesige Datenmengen scannen und erraten kann, was als Nächstes kommt. Das ist ein fantastisches Werkzeug. Ich nutze es beim Recherchieren und Schreiben. Songwriter nutzen es, um neue Texte und Akkorde zu finden. Medizinische Forscher nutzen es, um Proteine abzubilden. Und vieles mehr. Aber es ist ein Werkzeug, das fest in den Köpfen und Händen von Menschen liegt. Die Technologie ist lediglich eine Erweiterung der menschlichen Vorstellungskraft, kein Ersatz dafür.
Bei der Robotik bin ich sogar noch skeptischer. Wir verlieren uns immer wieder in dem Versuch, menschliche Hände und Beine zu kopieren, die Hunderte und Tausende von Jahren der Evolution hinter sich haben, um sie zu perfektionieren. Niemand wird sich jemals von einem Roboter massieren oder sein Baby in den Schlaf kuscheln lassen wollen. Ich kann mir Exoskelette und humanoidere Designs für Bagger vorstellen, aber keinen bedeutenden Einfluss von Robotern. Ich habe meinen Roomba [Saugroboter] letztes Jahr weggeschmissen – ich putze meinen Boden viel besser als er es je getan hat.
Übrigens gehöre ich zu der Sorte von Zukunftsforschern, die gerne Wörter wie „jemals“ und „nie“ verwenden. Ich schließe auch gerne lange Wetten ab. Wenn du um eine gute Flasche deutschen Wein wetten möchtest, dass ich falsch liege, lass uns wetten.
Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesellschaft
d.velop blog: Wie wird sich das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine in Zukunft entwickeln?
Magnus Lindkvist: Ich mag das Wort „Beziehung“ nicht, da es Technologie vermenschlicht. Maschinen werden immer unsere Sklaven sein. Aber sie werden besser darin werden, unsere Bedürfnisse vorauszusehen und zu erfüllen. Denk nur an die enormen Fortschritte, die die Ergonomie im vergangenen Jahrhundert gemacht hat. Wir werden auch besser darin werden, menschliche Fähigkeiten für das zu nutzen, was sie am besten können – transformative Kreativität.
Definition transformative Kreativität
Transformative Kreativität bezieht sich auf die Fähigkeit, neue und innovative Ideen hervorzubringen, die eine Transformation oder Veränderung bewirken können. Es geht darum, kreativ zu sein, um Probleme zu lösen oder neue Ansätze für eine bestimmte Herausforderung zu entwickeln, die tiefgreifende Veränderungen bewirken können. Transformative Kreativität kann helfen, neue Branchen oder Märkte zu schaffen und Innovationen voranzutreiben.
Magnus Lindkvist: Das Fliegen eines Airbus A350 oder das Scannen von Passagiergepäck vor dem Einsteigen ist in erster Linie „saming“, was für Menschen phänomenal langweilig ist (und Langeweile ist eine Gefahr am Arbeitsplatz). Aber in 1 % der Fälle benötigen wir voll engagierte menschliche Improvisationsfähigkeiten. Wo Erkenntnisse gekreuzt werden und Synapsen in neue Richtungen feuern.
Definition Saming
Saming ist ein Begriff, der sich auf sich wiederholende, standardisierte oder routinemäßige Aufgaben bezieht, die von Maschinen oder Systemen ausgeführt werden können, ohne dass menschliche Eingriffe oder Entscheidungen erforderlich sind. Diese Art von Aufgaben erfordert keine kreativen oder improvisatorischen Fähigkeiten.
d.velop blog: Wie werden sich die Gesellschaft und ihre Werte durch die fortschreitende Digitalisierung verändern?
Magnus Lindkvist: Wenn ich mir meine Kinder im Teenageralter anschaue – neben der Befragung von Kindergärtner:innen immer ein guter Weg, um zukünftige Gesellschaften vorherzusagen – ist heute alles viel fließender. Geschlecht, Machtdynamik, Grenzen, Identität. Es gibt keine feste Hierarchie und auch keine feste Wahrheit. Mittelalte weiße Männer wie ich sind natürlich tief besorgt darüber.
Aber es bietet auch neue Möglichkeiten. Die Gesellschaft war zu starr als ich aufgewachsen bin. Die Grenzen, die wir um Branchen gezogen haben, haben Unternehmen zu unflexibel für Veränderungen gemacht. Das nationalstaatliche Modell war anfällig für ein „Wir gegen sie“-Denken.
Wissen ist immer ein wenig falsch, das ist das Wesen der wissenschaftlichen Entdeckung. Die Digitalisierung und die Teenager scheinen uns zu sagen: „Sei flexibel“.
Weitere Einblicke auf dem d.velop forum
Die Zukunft kann niemand exakt vorhersagen, aber als Zukunftsforscher hat Magnus Lindkvist eine klare Vorstellung davon, wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Robotik unser Leben beeinflussen werden. Haben diese Themen auch bei dir das Interesse geweckt? Wenn du dich für die Zukunft und die Auswirkungen der Digitalisierung interessierst, schaue gerne d.velop forum am 24.05. in Düsseldorf vorbei. Hier wird Magnus Lindkvist als Speaker eine Keynote halten.