In der heutigen digitalen Welt sind Unternehmen zunehmend gefordert, sich den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen und ihre Arbeitsweisen entsprechend anzupassen. Fränzi Kühne, Chief Digital Officer bei edding und Gründerin von TLGG, ist eine Expertin auf diesem Gebiet. Sie hat kürzlich auf dem d.velop forum einen Vortrag mit dem Titel „Mastering Digital Transformation: Wie New Work und Digitalisierung im Unternehmen wirklich funktionieren“ gehalten. In einem anschließenden Interview teilt sie ihre Erfahrungen und Einsichten zum Thema Digitalisierung, Führungskompetenzen und Work-Life-Balance.
Die vielfältige Welt von Fränzi Kühne
d.velop blog: Wie würdest du jemanden, der dich nicht kennt, beschreiben, wer du bist und was du machst?
Fränzi Kühne: Mein Name ist Fränzi Kühne, ich bin CDO bei edding, Gründerin von TLGG, bin im Aufsichtsrat der Württembergischen Versicherung, im Stiftungsrat der Allbright Stiftung und habe noch diverse andere Rollen. Und ich bin Mutter von zwei Kindern.
d.velop blog: Du hast sehr viele Rollen. Welche dieser Rollen begeistert dich am meisten und warum?
Fränzi Kühne: Die meiste Leidenschaft und Begeisterung habe ich für meine Kinder und für meine Familie. Deswegen ist es auch so: In Sachen Prioritäten steht meine Familie immer ganz oben. Danach kommt meine Karriere, dann komme ich und dann kommen meine Beziehungen.
Das ist so ein Vier-Stufen-System, welches ich habe. Die Priorität liegt im Idealfall dort, wenn ich aber merke, mir geht es gerade nicht gut, dann rutsche ich nach oben und muss da den Fokus drauflegen. Wenn man in so vielen unterschiedlichen Rollen agiert, dann kann man nicht überall 100 % geben und da sein und deswegen versuche ich mich sehr stark zu priorisieren.
Die Bedeutung von Digitalisierung
d.velop blog: Bitte vervollständige den Satz: Digitalisierung bedeutet für mich …
Fränzi Kühne: Veränderung.
d.velop blog: Das ist sehr prägnant. Wie wichtig ist es deiner Meinung nach, dass Unternehmen an der Digitalisierung teilnehmen?
Fränzi Kühne: Unternehmen, die jetzt noch nicht angefangen haben bzw. immer noch damit hadern, anzufangen, sich zu verändern, sind in meinen Augen verloren. Vielleicht sind sie noch nicht jetzt verloren, aber zumindest in den nächsten 3 bis 5 Jahren sind sie komplett abgehängt.
Es ist ein unheimlich langer Weg hin zur Transformation, hin zu einer Veränderungskultur. Deswegen muss man früh damit anfangen, eine Kultur aufzubauen, die das überhaupt tragen kann. Da geht es dann eben nicht um das Etablieren von „wir machen mal ein bisschen SharePoint irgendwie“.
Die Roadmap zur Digitalisierung: Einführung eines DMS in 6 Schritten
Führungskompetenzen in der digitalen Welt
d.velop blog: Welche Fähigkeiten sind in der digitalen Welt besonders wichtig für Führungskräfte, und wie können sie diese Fähigkeiten entwickeln?
Fränzi Kühne: Ich denke, Führungskräfte müssen in einer digitalen und sich ständig verändernden Umgebung wahnsinnig resilient sein, um mit dem Druck und den Veränderungen umgehen zu können. Sie müssen unglaublich große Role-Models sein, Vorbilder im Sinne von guter Führung und gutem Leadership. Das beinhaltet, dass sie zuhören können und verschiedene Teams zusammenbringen, um unterschiedliche Meinungen zuzulassen. Es geht nicht immer darum, den besten Kompromiss zu finden, sondern die besten Entscheidungen zu treffen.
Work-Life-Balance: Die Bedeutung einer ausgewogenen Arbeitszeit
d.velop blog: „Wir sollten 100 Stunden mehr im Jahr arbeiten.“ Das empfiehlt der Chef des Deutschen Instituts der Wirtschaft (IW), Michael Hüther. Auf der anderen Seite wollen rund 81 Prozent der Vollzeiterwerbstätigen eine Vier-Tage-Woche. Wie ist deine Meinung dazu?
Fränzi Kühne: Ganz klar, ich arbeite im Jobsharing, ich bin bei edding zu 55 % angestellt. Ich hätte den Job nicht angenommen, wäre es ein ganz normaler 40, 60, 80 Stunden Vorstands-Job gewesen.
Work-Life-Balance ist nun mal das, was Menschen wollen. Das gilt auch für ältere Menschen, wenn sie sich in einer Führungsposition denn trauen, das zuzugeben. Die Erfahrung, die ich gemacht habe, ist, dass gerade Männer, die am Ende ihrer Karriere stehen, oft sagen: „Ich bereue am meisten, nicht mehr Zeit mit meinen Kindern verbracht zu haben“. Und wer will denn das am Ende seines Lebens sagen? Und was für ein Mensch ist man, sowas zu verbieten. Also alle Unternehmen, die das nicht zulassen, werden den Kampf um Fachkräfte und Talente verlieren.
d.velop blog: Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung deiner Meinung nach auf die Work-Life-Balance von Mitarbeiter:innen?
Fränzi Kühne: Ich glaube, dass es ziemlich gute Auswirkungen haben kann, wenn man in der Lage ist, sich selbst eigenverantwortlich zu steuern. Das erfordert viel Selbstdisziplin und die Bereitschaft, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, um sich nicht inmitten all dieser hybriden Arbeitsweisen und ständigen Erreichbarkeit zu verlieren. Gutes Selbstmanagement ist meiner Meinung nach das A und O, um auch die Vorteile der Digitalisierung herauszuholen.
Diversität und Inklusion: Ein Erfolgsfaktor für Unternehmen
d.velop blog: Wie können Unternehmen sicherstellen, dass sie bei der digitalen Transformation Diversität und Inklusion fördern?
Fränzi Kühne: Also vorausgesetzt, dass jedem klar ist, dass diverse Teams einen guten Beitrag leisten und Unternehmen, die diverse Teams haben, wirtschaftlich erfolgreicher sind, ist es, dass es oben verankert sein muss.
Dieser Glauben daran muss vom Management vorgelebt werden. Es ist kein ja, „Wir haben doch jetzt die Frauenquote“ oder wir machen mal so ein bisschen was für Diversität als Wandtattoo. Es muss halt echt gelebt werden. Sonst identifizieren die Leute, die du divers reinholst, das sofort und sind dann auch gleich wieder weg. Was das an Kosten ausmacht im Recruiting? Ja, also es ist eigentlich echt einfach zu verstehen.
Es hat aber auch viel damit zu tun, Macht abzugeben und anders zu arbeiten und anders zu denken. Du bist eben nicht mehr der schlauste Mensch im Raum, so wie es vor 10 oder 20 Jahren noch war, oder bei vielen Unternehmen heute noch so ist.
„Was Männer nie gefragt werden“: Ein Blick auf Geschlechterrollen
d.velop blog: Du hast einen SPIEGEL-Bestseller geschrieben: „Was Männer nie gefragt werden“. Was können die Leser:innen erwarten?
Fränzi Kühne: Es hat die Diskussion um die Gender Debatte in Deutschland in ein anderes Licht gerückt. Was eben nicht so Alice Schwarzer mäßig, mit dem Zeigefinger und so stark unsympathisch feministisch ist, sondern sich auf eine leichte Art und Weise dem Thema zu nähern.
Zahlen belegen, dass Männer keine Bücher von Autorinnen kaufen und so kommt es, dass Frauen dieses Buch kaufen und es dann Männern auf den Schreibtisch legen, um mit ihren Männern darüber zu reden. Deswegen ist es ein guter bzw. leichter Zugang zu diesem Thema, was enorm wichtig ist.
d.velop blog: Was war der ausschlaggebende Impuls, dieses Buch zu schreiben?
Fränzi Kühne: Gute Frage. Eigentlich war es nur ein Zeitvertreib-Projekt, weil ich tatsächlich andere Pläne hatte: Nämlich mit meiner Familie auf Weltreise zu gehen. Und dann hatte ich Corona-Langeweile und dachte mir, ich habe da doch mal mit so einem Verlag gesprochen.
Sie wollten, dass ich eine Biografie schreibe über mich und ich dachte, ich bin Mitte 30. Ich schreibe doch keine Biografie. Wer bin ich denn?
Dann bin ich auf die Idee gekommen, wie eigentlich erfolgreiche Männer auf solche Fragen reagieren, wie ich sie gestellt bekommen habe. Als ich in diesem Projekt selbst die Fragen stellen musste, die manchmal unglaublich peinlich sind, habe ich gemerkt, wie absurd das eigentlich ist.
Und so eine ganze Diskussion darum aufzumachen, wie eigentlich das Medienbild von einer Frau ist, entlarvt sehr viel und das gefällt mir ganz gut.
d.velop blog: Was muss sich deiner Meinung nach ändern? Denkst du, Digitalisierung kann dabei helfen?
Fränzi Kühne: Das so pauschal zu sagen, finde ich schwierig. Digitalisierung kann auf der einen Seite das ganze Thema Vereinbarkeit fördern, weil man ortsunabhängig arbeiten kann, weil Unternehmen gemerkt haben, man muss nicht mehr im Unternehmen anwesend sein, um auch führen zu können.
Führung wird heute noch ganz oft verwechselt mit präsent sein. Ich glaube, das hat sich durch Corona geändert und dadurch haben Frauen auch mehr Möglichkeiten, in solche Positionen zu kommen.
Auf der anderen Seite ist es das Thema, wie verliert man sich darin nicht selbst? Es ist nach wie vor ein sehr großes Thema und wir haben, glaube ich, die größte Besucher-Rate an psychologischen Terminen und Coaches überhaupt, weil Menschen einfach mit dieser Fülle nicht mehr zurechtkommen.
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