Digitalisierung ist keine Option, sondern ein Muss. Dabei verändert sich im Zuge der Industrie 4.0 auch der Einkauf: Denn den klassischen operativen Einkauf, wie ihn viele noch kennen, wird es so bald nicht mehr geben. Herausforderungen, wie beispielsweise die richtige Menge an Waren zum richtigen Zeitpunkt zu bestellen und das ohne umständliche und fehleranfällige Excel-Files, soll mittels digitaler Transformation schon bald Vergangenheit sein. Gleichzeitig steigt die Erwartungshaltung an den strategischen Einkauf, nämlich ständig einen klaren Überblick in Echtzeit zu haben. Wie sollen diese Herausforderungen gemeistert werden? Ist der Einkauf 4.0 die Lösung?
Definition Einkauf 4.0
Im Einkauf 4.0 kommt die lern- und entscheidungsfähige Automatisierung als technische Unterstützung sämtlicher Beschaffungsaufgaben größte Bedeutung zu. Der Einkauf 4.0 bietet damit nicht nur eine technologische Basis, um Einkaufsprozesse autonom zu gestalten, sondern auch um den strategischen Einkauf zu verändern.
Vom Einkauf 1.0 bis zum Einkauf 4.0
Welche Aufgaben hat der Einkauf eigentlich und wie haben sich diese durch die Digitalisierung verändert? Grundsätzlich sind folgende 8 wesentlichen Kernaufgaben des Einkaufs zu nennen:
- Bedarfsermittlung
- Beschaffungsmarktforschung
- Analyse und Bewertung der Make-or-Buy-Frage
- Vertragsvereinbarung
- Bestellabwicklung
- Lieferantenmanagement
- Strategisches Einkaufsmanagement
- Einkaufscontrolling
Verschiedenste technische Maßnahmen unterstützen den Einkauf und sämtliche Beschaffungsprozesse. Wie sich der Einkauf in den letzten über 50 Jahren verändert hat, zeigt die nächste Abbildung. Dabei werden die Entwicklungsstufen vom Einkauf 1.0 bis hin zum Einkauf 4.0 und inwiefern technologische Unterstützung in den jeweiligen Stufen existieren/existiert haben dargestellt.
Ganz klar erkennbar ist der Trend zur Digitalisierung und der Automatisierung von Beschaffungsprozessen. Von BANF zu eBANF und von E-Procurement zu Einkauf 4.0. Aber wie genau wirkt sich der Wandel zum Einkauf 4.0 auf die Kernaufgaben aus?
So sieht die Praxis aus
Der Einkauf 4.0 stellt die Wirkung von Technologien auf operative und strategische Einkaufsaufgaben dar und wird sich auf sämtliche Kernaufgaben des Einkaufs auswirken. Vorab: Das ist keine Zukunftsmusik, sondern in einigen Unternehmen bereits gelebte Praxis.
1) Bedarfsermittlung
Die rasche technologische Entwicklung in vielen Bereichen wird das Bedarfsmanagement vor die Aufgabe stellen, Innovationen noch besser von Lieferanten zu identifizieren, entwickeln und in die eigene (End-)Produktlandschaft einzubinden. Zudem lässt sich der Entwicklungsprozess von Bedarfsanforderungen und Spezifikationen durch IT-Systeme stärker strukturieren sowie extern vernetzen.
2) Beschaffungsmarktforschung
Es existieren bereits analytische Systeme, die schon jetzt weit mehr (Echtzeit-) Daten verarbeiten („Big Data Analytics“) als tradierte Suchmethoden. Daraus können in der Folge hochvalide Prognosen und Entscheidungshilfen bereitgestellt werden („Predictive Analytics“). Solche Systeme ergänzen oder ersetzen sogar durch die Ergebnisse ihrer Algorithmen bisher durch Menschen vorgenommene Einschätzungen und Entscheidungen.
3) Make-or-buy
Letztlich aber ist von einer ultimativen Entscheidungsunterstützung – auch bei strategischen Fragen – auszugehen. Aus einer gänzlich anderen Perspektive eröffnet, mit der Industrie 4.0 in Verbindung stehende Konzepte wie der 3-D-Druck, die grundlegende Frage nach Eigen- oder Fremdfertigung (Make-or-buy) neu.
4) Vertragsvereinbarung
Bereits jetzt ist es üblich, dass intelligente Systeme Aktiengeschäfte autonom und in Sekundenbruchteilen abschließen. Wie sich das auf den Einkauf 4.0 auswirkt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Eins ist sicher: Selbstverständlich werden sich Entscheider:innen die letzte Freigabe bei sehr strategischen Einkaufsvorhaben vorbehalten.
5) Bestellabwicklung
Während Bestellentscheidungen auch in E-Procurement überwiegend von Menschen ausgelöst und dann automatisiert abgewickelt werden, können Einkaufssysteme „4.0“ Bedarfsverläufe selbstständig analysieren, und darauf basierend auch den Bestellimpuls auslösen.
6) Lieferantenmanagement
In der Betreuung, Beurteilung und Entwicklung der Zulieferer kommen verstärkt analytische Methoden zum Einsatz. Big Data Analytics, „digitalisierte Lieferantenbeziehungen“, Datenbrillen und Software zur Erkennung von Gemütszuständen können in Zukunft im Rahmen des Einkauf 4.0 zum Einsatz kommen.
7) Strategisches Beschaffungsmanagement und Einkaufscontrolling
Big Data kann die Möglichkeiten zur Sammlung und Auswertung von internen und externen Daten im Rahmen der Strategieentwicklung wesentlich erleichtern (was auch für das Einkaufscontrolling elementar ist). Algorithmen und künstliche Intelligenz unterstützt dabei.
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Diese Vorteile bringt der Einkauf 4.0
Zwischen den Zeilen hast du sicherlich den ein oder anderen Vorteil rauslesen können, der sich durch den Einkauf 4.0 ergibt. Wir wollen es nochmal auf den Punkt bringen und fassen sie in 4 wesentliche Vorteile zusammen:
Weniger Aufwand für Einkäufer:innen: Reduzierung der manuellen Tätigkeiten auf ein Minimum. Daraus ergibt sich mehr Zeit für die Suche und Pflege neuer bzw. bestehender Lieferantenbeziehungen.
Hohe Datenqualität: Durch den Wegfall manueller Tätigkeiten, reduziert sich die Fehleranfälligkeit, wodurch die Datenqualität steigt.
Höhere Transparenz: Da die Kommunikation und der Prozessablauf automatisch dokumentiert werden, sorgt dies für mehr Sicherheit und einer besseren Nachvollziehbarkeit von Abläufen. Das verbessert nicht nur die Unterstützung und Umschichtung der Mitarbeiter:innen, sondern auch eine einfachere und bessere Vertretung, da der Arbeitsstatus und die Arbeitsschritte klar und transparent sind.
Kosteneinsparung: Indem Informationsflüsse automatisiert werden und auch der Arbeitsaufwand in vielen Fällen wegfällt oder reduziert wird, können Prozesskosten niedrig gehalten werden.
4.0-Readiness: Bist du bereit?
Um sich den aktuellen Herausforderungen stellen zu können und auch in Zukunft flexibel auf Veränderungen reagieren zu können, benötigt es auch im Einkauf Anpassungen. Die Orientierung am Einkauf 4.0 hilft dabei, wettbewerbsfähig zu bleiben und Phänomene wie Maverick Buying zu vermeiden. Doch zwei wesentliche Fragen, sollten sich das Unternehmen und ihre Einkaufsabteilung stellen: Wie sieht die Bereitschaft des Unternehmens und explizit des Einkaufs aus, Veränderungen zum Einkauf 4.0 anzugehen? Und besitzt das Unternehmen die notwendigen Fähigkeiten und Ressourcen, um es umzusetzen? Die 4.0-Readiness sollte der erste Schritt sein.
Unser Tipp:
Klein anfangen. Erst, wenn die grundlegenden Prozesse im Einkauf digitalisiert sind, ist es möglich einen Blick auf den Einkauf 4.0 zu werfen. Also sind zunächst unter anderem folgenden Fragen zu klären:
- Wie digital ist die Einkaufsabteilung aufgestellt?
- Wie laufen Prozesse im strategischen Einkauf und im operativen Einkauf ab und wo ist noch Bedarf zur Digitalisierung?