Change-Management & Veränderung: Prof. Dr. Ralf Lanwehr im Interview

Veröffentlicht 10.10.2022

Prof. Dr. Ralf Lanwehr Trainer | Coach | Berater | Prof. Ralf Lanwehr

Fröhliche Mitarbeitende als Symbol für erfolgreiches Change-Management.

Um sich neuen Marktbedingungen anpassen zu können, müssen sich Unternehmen laufend verändern. Viele Veränderungen lassen sich nicht aufhalten, sie lassen sich aber erfolgreich managen. Darum geht es im Change-Management.

Definition Change-Management

Unter Change-Management versteht man verschiedene Maßnahmen, um Abteilungen oder die gesamte Organisation tiefgreifend zu verändern. Man bewegt sich von einem Ausgangszustand zu einem klar definierten Zielzustand.


Wir sprechen mit Ralf Lanwehr über stetige Veränderungen in Unternehmen, was erfolgreiches Change-Management auszeichnet und wie Widerstände und Ängste entkräftet werden können. Im Interview verrät uns Ralf, warum Unternehmen jetzt anfangen müssen, Veränderungsprozesse in die Unternehmenskultur zu integrieren, wenn sie langfristig erfolgreich sein wollen.

Über Prof. Dr. Ralf Lanwehr

Autorenprofil Ralf Lanwehr

Ralf Lanwehr ist seit über 20 Jahren als Berater, Trainer & Coach tätig, hält seit 13 Jahren eine Professur für Management und ist Deutschlands drittmittelstärkster Wirtschaftspsychologe. Schwerpunkte seiner Arbeit sind evidenzbasierte Ansätze für die Themen Führung, Kultur und Change. In der Wirtschaft ist er auf multinationale Unternehmen spezialisiert und kooperiert mit Firmen wie BMW, RWE und SAP. Parallel dazu coacht er Bundesligatrainer, kooperiert mit Geschäftsführungen und Trainerstäben und verantwortet für den DFB den Bereich Leadership in den Fortbildungen für Trainer und Manager. Seine eigene Karriere als Profi scheiterte – trotz seiner Zeit in der dritten mosambikanischen Liga – ebenso kläglich wie verdient. In einem anderen Leben studierte Ralf Psychologie und Mathematik an der Universität Münster und promovierte in Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Berlin.

Die stetigen Veränderungen in Unternehmen fordern ein Change-Management

Der Begriff „Digitale Transformation“ ist gefühlt in aller Munde. Was bedeutet er für Dich?

Prof. Dr. Ralf Lanwehr: Eine Transformation ist eine Veränderung. Die Digitalisierung bietet uns wahnsinnig viele Möglichkeiten, um Dinge flexibler zu gestalten und zu verändern. Und weil eben der ganze IT-Bereich schon so wahnsinnig innovationsgetrieben ist und man hier in den letzten Jahren sehr, sehr viel ausprobieren konnte, kommen viele Neuerungen aus diesem Bereich, die alle unter dem Begriff „Digitale Transformation“ zusammengefasst werden können. Die Scrum-Methode beispielsweise, ein Konzept, das speziell aus der IT kommt und dabei hilft, Transformation im Softwareumfeld zu managen. Wir alle sind also in stetiger Transformation und die ist eben heute digital.

Wo müssen sich deutsche Unternehmen Deiner Meinung nach am dringendsten verändern und warum?

Prof. Dr. Ralf Lanwehr: Die Fähigkeit, sich zu wandeln und zu verändern, muss stärker in der DNA von Firmen verankert sein. Das ist für mich der zentrale Punkt, an dem Firmen besser werden müssen und sich weiterentwickeln sollten. Früher gab es ein „Kochrezept“, wie man Transformation in 3 Phasen und 8 Schritten durchführt, welches von John P. Kotter stammt. Dieser betont, dass ein Unternehmen erst einmal für Transformation bereit gemacht werden muss. Damit ist gemeint, dass das Gefühl für Dringlichkeit für Veränderung im Unternehmen besteht und auch aktiv wahrgenommen wird. Weitere Zutat des Rezepts: Es braucht eine Vision, um Veränderung anzustoßen. Und dann gibt es sozusagen den Bereich der Umsetzung, wo Veränderung implementiert wird. Und so weiter.

In der heutigen Zeit reicht es nicht mehr, Veränderungen nach theoretischen Modellen zu organisieren.

Prof. Dr. Ralf Lanwehr

Dieses Rezept hat sich gut 20 Jahre bewährt und seinen Zweck erfüllt. Doch in der heutigen Zeit reicht es nicht mehr, Veränderung nach Phasenmodellen zu organisieren. Das liegt einfach daran, dass es nicht mehr einzelne Veränderungen gibt, sondern Veränderungen auf allen Ebenen in einem hohen Tempo in der Welt passieren. Wandel ist keine Ausnahmeerscheinung mehr, sondern muss Teil eines Unternehmens werden.

Das zeichnet Change-Management aus

Spricht man von Veränderung, fällt schnell das Buzzword Change-Management. Was zeichnet Change-Management aus?

Prof. Dr. Ralf Lanwehr: Beim Change-Management geht es häufig darum, die Flexibilität zu erhöhen, ohne an Stabilität zu verlieren. Beispiel: Innovationen in Organisationen. Da ist der Prozess der Ideengenerierung zentral. Dafür ist Kreativität notwendig, sprich die Produktion von neuen und nützlichen Ideen. Das reicht aber noch nicht. Man kann empirisch nachweisen, dass die Ideengenerierung zwar ein zentraler Teil für erfolgreiches Change-Management ist, die Implementierung von Ideen, die sogenannte Ideenintegration, jedoch mindestens genauso wichtig ist.1 Dieses Zusammenspiel zeichnet modernes Change-Management aus. Neue Freiräume eröffnen, aber selbst Räume haben, ja begrenzende Wände.

Widerstände und Ängste mit Change-Management entkräften

Veränderung kann zu Ängsten oder Blockaden führen. Warum ist das so?

Prof. Dr. Ralf Lanwehr: Also empirisch nachgewiesen ist es so, dass es immer Widerstand gegenüber Veränderung gibt. Sogar dann, wenn die Leute selbst vom Wandel profitieren.2 Und es gibt sogar dann Widerstand, wenn die Leute ihrer Organisation nur das Beste wünschen. Das liegt daran, dass wir Menschen Gewohnheitstiere sind, die gerne in sicheren Strukturen und Gruppen bleiben. Wir richten uns eben entsprechend ein. Das nennt sich soziale Identität. Veränderung greift dieses Konstrukt an und das nicht nur rational, sondern auch emotional. Das führt häufig zu Widerstand, Blockaden und eben Ängsten.

Und wie geht man da konkret vor, um diese Widerstände zu überwinden?

Prof. Dr. Ralf Lanwehr: Wir müssen den Menschen im Unternehmen vermitteln, dass die Veränderung, die ansteht, gar nicht so bedrohlich ist, wie sie vielleicht wirkt. Sie muss zur sozialen Identität dazugehören und akzeptiert werden. Wir müssen also wegkommen von der Idee, dass das, was an Veränderung bevorsteht, etwas grundlegend Neues ist und eher die Haltung vermitteln, dass Wandel etwas völlig Normales ist. Ebenso wichtig ist es, dass wir Menschen abholen und mitnehmen. Dafür braucht es charismatische Visionen der Führung, die motivieren und kommunizieren können. Denn wenn ich Leute motivieren will etwas zu verändern, dann muss das „Warum“ klar sein und auch entsprechend rüberkommen.

Wichtige menschliche Eigenschaften für erfolgreiches Change-Management

Welche Eigenschaften brauchen Menschen, um mit Veränderungen klarzukommen?

Prof. Dr. Ralf Lanwehr: Was spannend ist, es gibt keine einzige Eigenschaft bei Menschen, die nachweislich mit der Fähigkeit Veränderungen zu meistern korreliert. Beispielhafte Eigenschaften wie Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit, emotionale Stabilität, Ehrlichkeit oder Demut hängen alle nur sehr mittelbar damit zusammen, ob Veränderung gut angenommen oder umgesetzt werden kann.

Kannst Du das etwas konkreter machen?

Prof. Dr. Ralf Lanwehr: Ich gebe Dir ein Beispiel: Bei der Charaktereigenschaft „Emotionale Stabilität“ liegt die Vermutung nahe, dass uns diese Eigenschaft dabei hilft, besser mit Veränderungen umzugehen. Und es stimmt auch, dass eine hohe emotionale Stabilität uns ein besseres inneres Gleichgewicht und eine „dickere Haut“ gibt. Diese dickere Haut hat aber auch einen Nachteil: wenn ich diese dickere Haut habe, dann bin ich unempfindlicher und es fehlt vielleicht an Sensibilität und Empathie. Somit ist emotionale Stabilität genau wie die meisten anderen Eigenschaften ein zweischneidiges Schwert. Die meisten Eigenschaften haben dementsprechend sowohl positive als auch negative Effekte.

Change-Management erfolgreich in der Praxis umsetzen

Wie schafft man es, einen Change-Prozess erfolgreich umzusetzen? Was sind Deine Tipps?

Prof. Dr. Ralf Lanwehr: Zu Beginn ist es sehr hilfreich, eine Vision zu haben.

Eine gute Vision zeichnet sich durch Hirn, Herz und Hand aus.

  • Hirn, damit man versteht, worum es geht.
  • Herz, damit alle Beteiligten dahinterstehen und sich damit identifizieren.
  • Und Hand, damit klar ist, was jede:r Beteiligte:r weiß, was er oder sie beitragen kann.

Und ebenso wichtig im Change-Management ist es, dass ich einen fairen Prozess etabliere. Transparenz, klare Regeln und Beteiligung im Change-Prozess sind extrem wichtig, wenn ich möchte, dass die Leute meine Veränderung akzeptieren.

Braucht jede Führungskraft Deiner Meinung nach Skills und Wissen im Bereich Change-Management?

Prof. Dr. Ralf Lanwehr: Wenn man betrachtet, welche Skills und welches Wissen notwendig sind, dann möchte insbesondere im Bereich der Führung die Fähigkeit charismatisch zu sein hervorheben. Charisma erhöht die Wahrscheinlichkeit für Führungserfolg und erklärt am meisten und das empirisch, ob eine Führungskraft im Bereich Change-Management erfolgreich ist.3 Leider haben viele Firmen in diesem Bereich noch keine Führungskräfteentwicklung.

Hast Du einen Change-Prozess im Kopf, der besonders erfolgreich lief?

Prof. Dr. Ralf Lanwehr: Den Fußballverein SC Preußen Münster haben wir im Team begleitet, um Strukturen und Prozesse transparenter und natürlich für alle Mitarbeitenden besser zu machen. Dafür haben wir ca. 70 Interviews mit unterschiedlichen Berufsgruppen im Verein geführt und diese ausgewertet. Die Ergebnisse haben wir dann allen zur Verfügung gestellt. Anschließend wurde dann in moderierten Workshops definiert, wer die Treiber und Lokomotiven sind, wenn es darum geht, Dinge zu verändern. Das hat sich ausgezahlt und wir konnten die Akzeptanz für Veränderung in unterschiedlichen Bereichen des Vereins erhöhen und somit den gesamten nachgelagerten Prozess positiv beeinflussen.

Hast Du eine Literatur- oder Podcast Empfehlung zum Thema Change-Management?

Prof. Dr. Ralf Lanwehr: Was mir beispielsweise sehr gut gefällt, ist das Buch Switch von den Heath Brüdern. Und ich bin ein großer Fan von Adam Grant. Der Podcast „Work Life“ ist super.

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