Die Verbreitung des Einsatzes von KI nimmt in deutschen Unternehmen stetig zu. Laut Bitkom nutzen inzwischen 15 Prozent der Unternehmen aktiv KI-Technologien, während über zwei Drittel der befragten Unternehmen künstliche Intelligenz als die wichtigste Zukunftstechnologie ansehen1. Dabei unterscheiden sich die eingesetzten KI-Technologien mitunter deutlich – von Regel-basierten Systemen bis hin zu Deep Learning-Methoden und generativer KI. In diesem Artikel stellen wir die unterschiedlichen Arten und Teilgebiete von Künstlicher Intelligenz vor, um ein tieferes Verständnis für ihre Funktionsweise, Anwendungen und Potenziale zu schaffen.
Starke vs. Schwache KI
Bereits im Jahr 1955 definierte der ehemalige Stanford-Professor John McCarthy den Begriff Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence) als „the science and engineering of making intelligent machines“ 2. Andere Definitionen gehen sogar weiter und definieren Künstliche Intelligenz als „die Eigenschaft eines KI-Systems, menschenähnliche, intelligente Verhaltensweisen zu zeigen“ 3.
Oftmals werden Ansätze der KI weiterhin in zwei Gruppen, schwache bzw. starke KI unterteilt:
- Schwache KI (Narrow AI): Schwache KI bezeichnet künstliche Intelligenz, die sich auf die Lösung einer bestimmten Problemstellung bezieht. Schwache KI kann also eine bestimmte Aufgabe erfüllen, ihre erlernten Fähigkeiten jedoch nicht generalisieren / auf andere Aufgaben übertragen.4
- Starke KI (Strong AI / Artifical General Intelligence): Starke KI, oftmals als Artificial General Intelligence (AGI) bezeichnet, ist eine theoretische Form der KI, die eine Intelligenz anstrebt, die der menschlichen gleichkommt. Im Gegensatz zur schwachen KI, die sich auf spezifische Aufgaben beschränkt, kann starke KI eine Vielzahl von Funktionen ausführen und sich im Laufe der Zeit selbst weiterentwickeln.4
Teilgebiete von KI
Die Methodiken, die im Rahmen von Künstlicher Intelligenz eingesetzt werden, gliedern sich in verschiedene Teilgebiete und bilden die Grundlage für den Einsatz von KI in Business-Anwendungen. Im Folgenden stellen wir einige dieser Teilgebiete/Methodiken vor:
- Wissensrepräsentation und -Schlussfolgerung (Knowledge Representation and Reasoning): Wissens-Repräsentation und -Schlussfolgerung ist ein Gebiet der künstlichen Intelligenz, das sich damit beschäftigt, Informationen über die Welt in einer Form darzustellen, die ein Computersystem zur Lösung komplexer Problemstellungen nutzen kann [5]. Erste derartige Systeme gehen bereits auf die 1960er-Jahre zurück und basieren auf Technologien wie semantischen Netzen, Ontologien und mathematischer Logik.
- Expertensysteme: Als Expertensystem werden Computersysteme bezeichnet, die die Entscheidungsfähigkeit eines menschlichen Experten nachahmen. Sie sind darauf ausgerichtet, komplexe Probleme mittels des Zugriffs auf Wissensbestände zu lösen. Erste derartige Systeme gehen auf die 1970er-Jahre zurück und zählen zu den ersten erfolgreichen Formen von KI-Software.6
- Maschinelles Lernen (Machine Learning): Unter maschinellem Lernen wird der Bereich von KI verstanden, der Computern die Fähigkeit verleiht, zu lernen, ohne dabei explizit programmiert zu werden.7 Im Gegensatz zu regelbasierten Systemen, die vordefinierte Regeln zur Lösung einer Problemstellung anwenden, haben Modelle im Bereich des maschinellen Lernens die Fähigkeit, Lösungen für Probleme eigenständig durch Trainingsdaten zu erlernen. Dabei lernt das Modell allein durch Trainingsbeispiele und muss nicht explizit programmiert werden.
- Deep Learning: Deep Learning ist ein Teilbereich des maschinellen Lernens, der auf sogenannten tiefen neuronalen Netzen basiert. Künstliche neuronale Netze ermöglichen das Lernen aus großen Datenmengen, indem sie die grundsätzliche Funktionsweise des menschlichen Gehirns adaptieren/simulieren.8
- Generative KI (Generative AI): Generative KI bezeichnet Deep Learning-Modelle, die in der Lage sind, Text, Bilder und weitere Inhalte in hoher Qualität zu generieren9. Generative KI-Modelle werden typischerweise mittels sehr großer Datenmengen trainiert, welche oftmals aus dem Internet stammen.
Anwendung von künstlicher Intelligenz
KI-Anwendungen nutzen KI-Technologie zur Erfüllung bestimmter Aufgaben. Dies kann simple, repetitive Aufgaben, aber auch Themenstellungen, die hohe Komplexität aufweisen, umfassen. Im Folgenden möchten wir auf drei ausgewählte Anwendungsbereiche von KI eingehen:10
- Natural Language Processing (NLP): Natural Language Processing ermöglicht es Anwendungen, natürliche Sprache zu verstehen. NLP verwendet Machine Learning zur Verarbeitung und Interpretation textueller Daten. NLP findet besonders im Bereich von Dokumenten große Anwendung: So kann NLP genutzt werden, um Dokumente zu klassifizieren, also beispielsweise zu bestimmen, ob es sich bei einem Dokument um eine Rechnung oder einen Lieferschein handelt. Darüber hinaus können mithilfe von NLP sogar einzelne Informationen von Rechnungen oder anderen Belegen automatisiert und mit hoher Erkennungsqualität ausgelesen werden.
- Computer Vision: Computer Vision ist ein Bereich der künstlichen Intelligenz, der maschinelles Lernen nutzt, um visuelle Informationen zu verarbeiten und zu interpretieren. Mithilfe von Algorithmen können Computer Vision-Systeme Objekte erkennen, Muster analysieren und visuelle Daten verstehen. Anwendungen erstrecken sich von Gesichtserkennung bis zur Bildanalyse in Bereichen wie Medizin, autonomes Fahren und Fertigungsqualitätskontrolle.
- Robotics: Robotik ist der Zweig der Künstlichen Intelligenz, der sich mit dem Design, der Konstruktion und dem Betrieb von Robotern befasst. Roboter werden in verschiedenen Anwendungen eingesetzt, darunter Fertigung, Gesundheitswesen und Weltraumforschung. Durch die Integration von KI-Technologien ermöglichen sie fortschrittliche Automatisierung und vielfältige Aufgabenbewältigung in verschiedenen Branchen.
Der Einfluss generativer KI-Modelle
Seit dem Erscheinen von ChatGPT im November 202211 schreitet die Entwicklung generativer KI-Modelle in einer rasanten Geschwindigkeit voran. Generative KI-Modelle basieren auf Deep Learning-Techniken und sind in der Lage, Texte, Bilder und weitere Inhalte in hoher Qualität zu generieren.9
Large Language Models (LLMs) als Kern generativer KI
Die am meisten verbreitete Untergattung der generativen KI-Modelle sind die sogenannte Large Language Models (LLM). Als LLMs werden jene generative KI-Modelle bezeichnet, die auf die Generierung von textuellen Inhalten spezialisiert sind. Ein Beispiel eines solchen Models ist mit GPT-412 das Sprachmodell, welches ChatGPT zugrunde liegt.
Generative KI-Modelle basieren in der Regel auf sogenannten Fundamentmodellen (Foundational Models), große Sprachmodelle mit mehreren Milliarden Parametern, welche auf Basis sehr großer Datenmengen trainiert wurden. Foundational Models können bereits mehrere Aufgaben erfüllen, darunter Zusammenfassungen, Fragen-/Antworten-Sessions, Klassifizierung und weiteres.13 Zudem können Fundamentmodelle mit nur wenigen Trainingsdaten auf ausgewählte Anwendungsfälle angepasst werden. In diesem Prozess, der als Finetuning bezeichnet wird, muss das neue Modell nicht von Grund auf neu trainiert werden, sondern passt nur wenige der vom Fundamentmodell erlernten Parameter an.
Der Einsatz generativer KI in Unternehmen nimmt stark zu. In einer Umfrage des Unternehmens Salesforce aus dem Jahr 2024 gaben 61 % der Befragten an, entweder generative KI im Arbeitsalltag bereits aktiv zu nutzen oder den Einsatz von generativer KI für die Zukunft zu planen.14 Zudem gaben mehr als zwei von drei Befragten an, dass generative KI ihnen dabei helfen wird, die Anliegen ihrer Kunden besser bedienen zu können.
Steigende Nutzung und Potenzial generativer KI in Unternehmen
Generative KI bietet Unternehmen zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. So lassen sich beispielsweise lange Texte oder sogar der Inhalt ganzer Meetings automatisiert zusammenfassen. Auch nutzen Unternehmen generative Sprachmodelle, um qualitativ hochwertige Sprach-Bots, z. B. im Bereich des Customer Supports, dem Kunden zur Verfügung zu stellen. Generell bieten generative KI-Modelle zukünftig ganz neue Möglichkeiten, große Mengen unstrukturierter Daten zu erfassen.
Starke vs. Schwache KI – Wo stehen wir aktuell?
Nachdem wir zuvor die Definitionen von schwacher und starker KI gesehen haben, stellt sich die Frage, wie weit die Entwicklungen in diesen Bereichen fortgeschritten sind. Forscher von Googe DeepMind stellen zur Beurteilung dieser Frage ein Modell auf, welches den Fortschritt in fünf aufeinander aufbauenden Leveln darstellt.15 Diese Einteilung ist in der folgenden Tabelle dargestellt.
Die Forscher stellen fest, dass es im Bereich der schwachen KI – also KI-Modelle, die sich auf eine spezifische Aufgabe beziehen – durchaus Modelle gibt, die eine Aufgabe besser als 100 % der Menschen erfüllen können. Als Beispiel führen Spezial-Modelle, wie z. B. AlphaFold16 an, ein von Google entwickeltes Spezialmodell zur Vorhersage der Proteinstruktur auf Basis der Aminosäurensequenz eines Proteins.
Im Bereich der starken KI kommt man jedoch zu einem anderen Ergebnis. Zwar gibt es erste sogenannte Large Language Models (ChatGPT, Bard, Llama 2, Gemini), die eine Vielzahl an Aufgaben vergleichbar oder etwas besser als ein ungeschulter Mensch erfüllen können, jedoch schafft es keins dieser Modelle, besser als der Median der qualifizierten Erwachsenen abzuschneiden. Zudem fehlt derartigen Large Language Models die Fähigkeit, eigenständig neue Fähigkeiten zu erlernen, und die Anwendungsbereiche sind auf natürliche Sprache begrenzt.
Eine Artificial Superintelligence (ASI), also eine Künstliche Intelligenz, die 100 % der Menschen übertrifft, ist derzeit nicht in Aussicht.
Die Power von künstlicher Intelligenz: Die Zukunft der intelligenten Unternehmenssuche und Co-Piloten
Entwicklungen und Trends im Bereich künstlicher Intelligenz
Die künstliche Intelligenz entwickelt sich stetig weiter und wird künftig eine noch zentralere Rolle in der Technologie- und Geschäftswelt einnehmen. Wir haben einige der wichtigsten Trends des Marktforschungs- und Analyseinstituts Gartner zusammengetragen:17
Weitere Verbesserung generativer KI-Modelle: Durch die große und schnelle Verbreitung generativer KI-Modelle besteht ein zusätzlicher Anreiz zur Verbesserung. Neue generative KI-Modelle werden erscheinen, die Inhalte in einer immer besser werdenden Qualität erzeugen können.
Innovationen “fueled by Generative AI”: Generative KI-Modelle, insbesondere Large Language-Models und Stable Diffusion, erfreuen sich großer Beliebtheit. Software-Hersteller experimentieren bereits sehr aktiv mit generativen KI-Modellen. Die Nutzung/Einbindung von generativer KI in bestehende Anwendung wird stark zunehmen.
Edge AI: Gartner prognostiziert, dass die Nachfrage nach Edge-KI, also die Nutzung von KI-Modellen auf den Endgeräten, steigen wird. Dies könnte Unternehmen und Organisationen helfen, in Echtzeit Erkenntnisse zu gewinnen und strenge Datenschutzanforderungen zu erfüllen. Mit MobileDiffusion18 veröffentlichte Google unlängst ein Model, welches Text-zu-Bild-Generierung direkt auf dem Smartphone performant ausführen kann.
Responsible AI: Das Themengebiet der Responsible AI beschäftigt sich mit dem verantwortungsbewussten Einsatz künstlicher Intelligenz und berücksichtigt sowohl ethische, rechtliche als auch soziale Bedenken.
Open Source Generative AI: Bereits Anfang 2023 veröffentlichte Meta mit LLama das erste Open-Source-Modell seiner Art19. Open-Source-Modelle, also Modelle dessen Parameter frei zugänglich zur Verfügung gestellt werden, tragen zur Demokratisierung des Zugangs zu dieser disruptiven Technologie bei. Die Verfügbarkeit von Open-Source-Modellen für alle könnte die Fortschritte in der Weiterentwicklung derartiger Modelle deutlich beschleunigen.
Diese Trend-Voraussagen von Gartner zeigen, dass künstliche Intelligenz in Zukunft eine immer wichtigere Rolle in der Technologie- und Geschäftswelt spielen wird. Die verschiedenen Arten von KI bieten immense Möglichkeiten für Organisationen, Unternehmen und Menschen. Es ist heute schon absehbar, dass die künstliche Intelligenz die Art und Weise, wie wir arbeiten, leben und interagieren, in naher Zukunft verändern wird.
Die Zukunft ist jetzt! Künstliche Intelligenz als Motor des modernen Dokumentenmanagements.