Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, kurz: das Bundesteilhabegesetz (BTHG), soll die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen verbessern – durch mehr Teilhabe an der Gesellschaft, mehr Selbstbestimmung und mehr Möglichkeiten zur individuellen Lebensführung. Es wurde im Dezember 2016 verabschiedet und ist bis 2023 in vier zeitversetzten Reformstufen in Kraft getreten. Was das Gesetz beinhaltet, welche neuen Anforderungen es an die Leistungserbringer stellt und wie sich diese durch smarte Lösungen erfüllen lassen, erläutert dieser Blogartikel.
Was ist das Bundesteilhabegesetz?
Das Bundesteilhabegesetz, hervorgegangen aus der UN-Behindertenrechtskonvention, soll das Sozial- und Rehabilitationsrecht reformieren und verfolgt dabei verschiedene Ziele, die darauf einzahlen, Menschen mit Behinderungen ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat 2016 aufgezeigt, welche Maßnahmen durch das Bundesteilhabegesetz gefordert sind, um auf die verschiedenen Ziele einzuzahlen. Vier Reformstufen setzen die Änderungen im Recht der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung nach dem SGB IX um.
Was bedeutet das Bundesteilhabegesetz in der Praxis?
Oft benötigen Menschen mit Behinderungen in einigen Lebensbereichen Unterstützung. Diese erhalten sie durch Leistungen der Eingliederungshilfe. Das Bundesteilhabegesetz soll in der Praxis eine Verbesserung der Steuerung, Wirkung, Bewertung, Kontrolle und Dokumentation dieser Leistungen erzielen. Das BTHG legt fest, dass Menschen mit Behinderung Unterstützung gebündelt erhalten sollen, indem nur ein Leistungsträger bei übergreifenden Teilhabeleistungen die Zuständigkeit übernimmt. Dieser Leistungsträger leitet dann für die jeweiligen Klienten:innen das Teilhabeplanverfahren ein. Von der Einleitung, über die Durchführung, bis hin zur erforderlichen Begutachtung und Dokumentation jeglicher Leistungen, ist ausschließlich dieser eine Leistungsträger verantwortlich. Das Teilhabeplanverfahren betrachtet jeden Menschen mit Behinderung im Einzelnen, um die Leistungen individuell passend festzulegen.
Die Leistungen der Eingliederungshilfe sind vielfältig und in vier Leistungsgruppen eingeteilt:
- Leistungen zur sozialen Teilhabe, z.B. Unterstützung beim Wohnen, in der Freizeit, heilpädagogische Leistungen, Leistungen zur Mobilität
- Leistungen zur Teilhabe an Bildung, z.B. Unterstützung in der Schule, bei der Ausbildung oder im Studium
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, z.B. im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen & bei anderen Leistungsanbietern, Budget für Arbeit & Ausbildung
- Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, z.B. Frühförderung & Gewährung von Heil und Hilfsmitteln
Digitale Akten als Lösung für Vorgaben des Bundesteilhabegesetzes
Mit der neuen Ausrichtung verändern sich viele Prozesse und Abläufe für soziale Einrichtungen grundlegend. So benötigen sie zum Beispiel eine vollständige Übersicht sämtlicher individueller Leistungen für alle Bewohner:innen und Klienten:innen – auf einen Blick und einrichtungsübergreifend.
Für alle Beteiligten (Leistungsträger, Leistungserbringer und Leistungsberechtigte) bedeutet dies vor allem ein erhöhtes Papier- und Dokumentenaufkommen – hier können smarte Maßnahmen für mehr Digitalisierung in der Pflege Abhilfe schaffen. Eine digitale Klienten- und Bewohnerakte etwa kann dabei eine wirkliche Entlastung sein und die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes erleichtern. Die Akte bietet einen direkten und schnellen Überblick über alle Maßnahmen, Leistungen und begleitenden Dokumente (z.B. Versicherungsnachweise, Verträge). Ebenfalls von Vorteil: Die digitale Akte kann einrichtungsübergreifend eingesetzt werden und erledigt die revisionssichere Archivierung der Dokumente automatisch im Hintergrund.
Jede Einrichtung ist besonders – so erkennst du die Möglichkeiten der Digitalisierung!
Kritik am Bundesteilhabegesetz
Das BTHG hat bei vielen Leistungsträgern und -erbringern für Verunsicherung und die Frage gesorgt, ob es die lang ersehnten Verbesserungen bringen würde oder nicht.
Kritiker des Gesetzes bemängeln beispielsweise, dass der leistungsberechtigte Personenkreis in der Eingliederungshilfe eingeschränkt werden soll. Des Weiteren steigt die Bevormundung durch Behörden. Durch das Gesetz entsteht ein Sparzwang und der ursprünglich geplante Bürokratieabbau lässt sich nicht realisieren. Ebenso führen verschiedene Maßnahmen, die helfen sollen, eher zu Problemen. So muss man laut Entwurf in 5 von 9 Lebensbereichen eine Behinderung vorweisen, um Hilfe erhalten zu können. Wenn man beispielsweise aufgrund einer Schwerhörigkeit Hilfe im Alltag benötigt, erfüllt man unter Umständen die Anforderungen nicht und kann somit keine Eingliederungshilfe beanspruchen.
Hat das Bundesteilhabegesetz seine Ziele erreicht?
Im Mai 2023 hat die CDU/CSU eine kleine Anfrage an die Bundesregierung unter anderem bzgl. der Landesrahmenverträge, des Budgets für Arbeit und des Verhältnisses zwischen Eingliederungshilfe und Pflege gestellt. Die Antwort: Es konnten „pandemiebedingt noch nicht alle Untersuchungen abgeschlossen werden […]. Dies hat zur Folge, dass Begleitprojekte wie die Wirkungsprognose nach Art. 25 Abs. 2 Satz 1 sowie das Projekt Umsetzungsbegleitung BTHG bis Ende 2024 verlängert wurden.“ Der Bericht der Bundesregierung kommt also zu dem Schluss, dass die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe noch nicht in Gänze umgesetzt worden ist. Daraus folgt, dass sich über das Erreichen oder nicht Erreichen der gesetzten Ziele noch keine Aussage treffen lässt.