Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV): Durchbruch für die elektronische Signatur?

Veröffentlicht 27.05.2024

Mark Kesselmann Product Marketing Manager d.velop

Beitragsbild Bürokratieentlastungsgesetz

Das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) könnte einen Wendepunkt in der Digitalisierung administrativer Prozesse in Deutschland darstellen. Mit seiner neuesten Novelle zielt das Gesetz darauf ab, den Einsatz elektronischer Verfahren zu fördern und somit die Effizienz in öffentlichen sowie privaten Sektoren erheblich zu steigern. Diese legislative Änderung soll nicht nur die Papierlast reduzieren, sondern auch die Bearbeitungszeiten für zahlreiche bürokratische Verfahren verkürzen. Indem das Bürokratieentlastungsgesetz IV u.a. den rechtlichen Rahmen für digitale Signaturen stärkt, ebnet es den Weg für eine schnelle und sichere Verarbeitung von Dokumenten. Diese Entwicklung repräsentiert einen entscheidenden Schritt hin zu einer umfassenderen digitalen Transformation der deutschen Verwaltungslandschaft. Das BEG IV steht damit im Zentrum der Bemühungen, die Bürokratie in Deutschland effizienter und moderner zu gestalten. In diesem Blogartikel zeigen wir dir die aktuellen Entwicklungen rund um das BEG IV auf.

Was ist das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV)?

Das Bürokratieentlastungsgesetz IV ist ein Teil des von der Bundesregierung auf ihrer Kabinettsklausur in Meseberg im August 2023 beschlossenen Entbürokratisierungspaket. Gebündelt beträgt das Entlastungsvolumen der Maßnahmen für die Wirtschaft über 3 Milliarden Euro pro Jahr. Das BEG IV trägt hierzu rund 944 Millionen Euro pro Jahr bei. Die Gesamtentlastung – einschließlich der Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger sowie der Verwaltung – liegt bei über einer Milliarde Euro. Gleichzeitig wird der Bürokratiekostenindex, der die Belastungen der Unternehmen aus Informationspflichten sichtbar macht, dadurch voraussichtlich auf den niedrigsten Stand seit seiner Erhebung sinken.

Bürokratieabbau ist ein Konjunkturprogramm zum Nulltarif. Davon sollten wir in der jetzigen Wirtschaftslage möglichst intensiv Gebrauch machen.

Dr. Marco Buschmann, Bundesminister der Justiz am 07.03.2024

Welches Ziel verfolgt das Bürokratieentlastunggesetz IV?

Der Trend bei der bürokratischen Belastung von Unternehmen, der Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern ging in Deutschland in den vergangenen Jahren zumeist nach oben. Das zeigt auch der Bürokratiekostenindex, der seit 2012 erhoben wird. Er dokumentiert die Entwicklung der laufenden Belastungen der Unternehmen über die Jahre aus sogenannten Informationspflichten. Bürokratie belastet die Unternehmen ebenso wie die Bürgerinnen und Bürger und bremst dazu noch das Wirtschaftswachstum. Deshalb ist der Abbau von Bürokratie dem Bundesministerium der Justiz ein wichtiges Anliegen: Zahlreiche Maßnahmen sollen einen kontinuierlichen Abbau von Bürokratie sicherstellen und damit nicht nur neue Kraft für das Wirtschaftswachstum freilegen, sondern auch die Handlungsfähigkeit des Staates stärken. Das Meseberger Entbürokratisierungspaket hat fünf starke Bauteile:

  1. das Wachstumschancengesetz
  2. das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV)
  3. die Bürokratieentlastungsverordnung
  4. die Anhebung der Schwellenwerte für Bilanzierung und Rechnungslegung für kleine und mittlere Unternehmen
  5. die mit Frankreich gestartete EU-Entlastungsinitiative

Gemeinsam wurde so das größte je geschnürte Entlastungspaket ermöglicht: Das Volumen der Entlastung beträgt insgesamt über 3 Milliarden Euro. Der Bürokratiekostenindex wird damit auf den niedrigsten Stand seit seiner Erhebung gedrückt.

Welche Neuerungen soll das Bürokratieentlastungsgesetz 2024 bringen?

Nicht nur Papier, sondern auch Zeit, Nerven und Geld sparen: Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV und über 60 Maßnahmen wird die Wirtschaft künftig um fast eine Milliarde Euro pro Jahr entlastet. Insbesondere der Zettelwirtschaft wird damit der Kampf angesagt. Digitale Arbeitsverträge werden ermöglicht, die Hotelmeldepflicht weitgehend abgeschafft und Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege verkürzt. Der Regierungsentwurf sieht für das Bürokratieentlastungsgesetz insbesondere folgende Neuerungen vor:

  • Aufbewahrungsfristen werden verkürzt: Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege wie z.B. Rechnungskopien, Kontoauszüge und Lohn- und Gehaltslisten sollen von zehn auf acht Jahre verkürzt werden. Die Unternehmen können die Belege daher früher als bisher entsorgen und sparen dadurch erhebliche Aufbewahrungskosten.
  • Zentrale Vollmachtsdatenbank für steuerberatende Berufe: Steuerberater können künftig Generalvollmachten im Bereich der sozialen Sicherung zentral hinterlegen.
  • Hotelmeldepflicht wird abgeschafft: Die Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige wird abgeschafft.
  • Schriftformerfordernisse werden reduziert: Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sollen Schriftformerfordernisse zu Textformerfordernissen herabgestuft werden, soweit dies angemessen und sachgerecht ist. Anders als die Schriftform setzt die Textform keine eigenhändige Unterschrift voraus: Beispielsweise reichen auch eine E-Mail, eine SMS oder eine einfache elektronische Signatur aus. Entsprechende Herabstufungen sind unter anderem im Vereinsrecht und im Gesellschaftsrecht geplant. So sollen Vereinsmitglieder ihre Zustimmung zu einem Beschluss, der ohne Mitgliederversammlung gefasst wurde, künftig auch in Textform erklären können. Auch sollen GmbH-Gesellschafter – bei Beschlüssen außerhalb einer Versammlung – ihre Stimme in Textform abgeben können, wenn sämtliche Gesellschafter damit einverstanden sind. Zudem sollen Schriftformerfordernisse im Schuldverschreibungsgesetz sowie im Depotgesetz herabgestuft werden.
  • Öffentliche Versteigerungen auch online möglich: Die Möglichkeiten, öffentliche Versteigerungen durchzuführen, sollen erweitert werden. Künftig sollen sie wahlweise auch online per Live-Stream oder in hybrider Form (vor Ort und online) stattfinden können.
  • Die Fluggastabfertigung kann künftig auch digital erfolgen: Hierdurch werden die Abläufe am Flughafen beschleunigt. Zum Zweck der digitalen Fluggastabfertigung können mit ausdrücklicher Einwilligung des Reisenden, bestimmte Daten aus dem Reisepass ausgelesen werden.
  • Die Äußerungsfirst bei Öffentlichkeitsbeteiligungen in Zulassungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung, in denen aufgrund von Änderungen des Vorhabens eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich ist, soll angemessen verkürzt werden können.

Der vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet und nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag weitergeleitet und dort beraten.

Bürokratieentlastungsgesetz 2024 und die elektronische Signatur

Das Bürokratieentlastungsgesetz 2024 schafft eine neue Perspektive für die elektronische Signatur, indem es zahlreiche neue Anwendungsfälle rechtlich legitimiert. Zu den neuen Anwendungsfällen gehören primär Dokument- und Vertragsarten aus dem arbeitsrechtlichen Kontext, die folglich einmal näher skizziert werden:

Arbeitsvertrag und Nachweisgesetz

Der ursprüngliche Entwurf des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEG IV) vom 13.03.2024 sah vor, dass im Arbeitsvertragsrecht eine Regelung im Nachweisgesetz geschaffen werden soll. Diese Regelung besagt, dass bei schriftlichen Arbeitsverträgen die Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen zu erteilen, entfällt, wenn der Arbeitsvertrag in einer gesetzlich anerkannten elektronischen Form geschlossen und in einem ausdruckbaren Format übermittelt wurde (§ 2 Abs. 5 Satz 2 und 3 NachweisG-E).

Im Nachgang zu dem Regierungsentwurf hat sich die Bundesregierung laut einem Schreiben von Bundesjustizminister Dr. Buschmann vom 21.03.2024 weiter gehend darauf geeinigt, die Schriftform im Nachweisgesetz durch die Textform gemäß § 126b BGB zu ersetzen, was voraussichtlich im parlamentarischen Verfahren erfolgen soll. Zwar betrifft die Formerleichterung nicht den Arbeitsvertrag selbst (dieser kann auch nach jetziger Rechtslage formlos abgeschlossen werden), sondern nur die im Nachweisgesetz gelisteten wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen. Allerdings werden die Nachweispflichten normalerweise direkt im Arbeitsvertrag erfüllt, sodass sich etwaige Formerfordernisse im Nachweisgesetz de facto auf den gesamten Arbeitsvertrag erstrecken. Mit dem Wegfall des Schriftformerfordernisses kann der Abschluss eines Arbeitsvertrags künftig vollständig digital, etwa per E-Mail, erfolgen.

Arbeitszeugnis

Für die Erteilung von Arbeitszeugnissen (§ 630 Satz 3 BGB-E/§ 109 GewO-E) soll die elektronische Form ermöglicht werden. Außerdem sollen das Arbeitszeitgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz dahin gehend angepasst werden, dass die jeweiligen Aushangpflichten durch den Arbeitgeber auch erfüllt werden, wenn er die geforderten Informationen elektronisch zur Verfügung stellt.

Elternzeit und Elterngeld

Das Schriftformerfordernis im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz für Anträge auf Verringerung der Arbeitszeit und ihre Ablehnung sowie die Geltendmachung des Anspruchs auf Elternzeit soll durch die Textform ersetzt werden. Auch diese Änderungen treten grundsätzlich am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Quartals in Kraft (Art. 62 Abs. 1 BEG IV-E).

Arbeitnehmerüberlassungsvertrag

In o.g. Schreiben kündigte Bundesjustizminister Dr. Buschmann darüber hinaus an, dass auch das Schriftformerfordernis für den Überlassungsvertrag zwischen Ver- und Entleiher nach § 12 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) durch die Textform abgelöst werden soll.

Einsteiger-Guide: Die digitale Unterschrift für sichere Geschäftsdokumente

Wann tritt das Bürokratieentlastungsgesetz 2024 in Kraft?

Das Bürokratieentlastungsgesetz liegt aktuell im Gesetzgebungsprozess. Das BEG IV soll Ende Juni 2024 vom Bundestag beschlossen und nach der parlamentarischen Sommerpause vom Bundesrat bestätigt werden. Es ist davon auszugehen, dass bis dahin noch weitere Entlastungsmaßnahmen im Laufe des parlamentarischen Verfahrens ergänzt werden und es zu zahlreichen Änderungen am vorliegenden Gesetzentwurf kommt.

Bürokratieentlastungsgesetz IV als Konjunkturprogramm zum Nulltarif?

Die Bürokratie ist längst ein struktureller Wettbewerbsnachteil der deutschen Volkswirtschaft. Sie kostet sowohl die Unternehmen als auch den Staat wertvolle Ressourcen und bremst Wachstum und Wandel. Mit dem Regierungsentwurf zum Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) will die Bundesregierung nun ein Maßnahmenpaket auf den Weg bringen, das Wirtschaft und Verwaltung von überflüssiger Bürokratie entlasten soll. Überflüssig im Sinne dieses Entwurfs sind dabei Regelungen, die unnötigen Aufwand für Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft oder Verwaltung verursachen, ohne einem legitimen Zweck zu dienen, oder bei denen Aufwand und Nutzen in keinem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen. Zugleich sollen Abläufe vereinfacht und verschlankt werden, ohne dabei notwendige Sicherheitsstandards infrage zu stellen.

Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzentwurf in seiner aktuellen Fassung Bestand haben und das Gesetz schließlich in der praktischen Umsetzung tatsächlich zu weniger „Zettelwirtschaft“ und damit zu der erhofften Entlastung führen und den digitalen Wandel fördern wird. Versprochen wurde nicht weniger als „Bürokratieabbau ist ein Konjunkturprogramm zum Nulltarif“.