Zeitarbeit in der Pflege – das sind Ursachen und Folgen

Veröffentlicht 18.04.2023

Katja Mattejat Marketing Manager Healthcare & Welfare d.velop

Beitragsbild Zeitarbeit Pflege

Bessere Bezahlung und besser planbare Arbeitszeiten – für viele Pflegende ist die Tätigkeit bei Zeitarbeitsfirmen eine attraktive Alternative zur Festanstellung in beispielsweise einem bestimmten Krankenhaus. Was verbirgt sich hinter der Zeitarbeit in der Pflege? Und was bedeutet sie für das Gesundheitssystem? Wir haben die wichtigsten Punkte zusammengefasst.

Aufrechterhaltung der Patienten:innenversorgung durch Zeitarbeit

Derzeit sehen sich viele Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen mit der Entscheidung konfrontiert, auf die personelle Unterstützung durch Zeitarbeitsfirmen zurückzugreifen. Insbesondere in Zeiten von Spitzenbelegung und bei ohnehin dünner Personaldecke kann so die Versorgung von Patienten:innen überhaupt noch oder ohne größere Einschränkungen (z.B. Verschiebung von OP-Terminen, Bettensperren, geringe Personalschlüssel, die zur Folge haben, dass eine Pflegekraft für viel zu viele Patienten:innen verantwortlich ist) bewerkstelligt werden.

Was veranlasst den Wechsel von Pflegekräften in die Zeitarbeit?

In einem festen Team zu arbeiten, hat Vorteile. Je länger sich die Teammitglieder kennen, desto routinierter können einzelne Arbeitsabläufe ablaufen und desto fehlerresistenter wird ein Team. Die Mitglieder wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können. Daraus resultiert eine hohe Arbeitsqualität, von der auch die Patienten:innen direkt profitieren.

Was also bringt Pflegekräfte dazu, sich von einem festen Teamgefüge abzuwenden? Eine Antwort ist sicherlich, dass die Stammbelegschaft in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen häufig unterbesetzt ist und oftmals unter langanhaltendem Druck arbeitet. Ist der Personalschlüssel sowieso schon niedrig, verschärft sich die Situation, wenn Teammitglieder kurzfristig erkranken und Kollegen:innen für sie einspringen müssen. Immer mehr Pflegende möchten sich dem entziehen und entscheiden sich für die Zeitarbeit. Dort sind sie nicht als festes Mitglied in einem Team verankert, sondern werden nach Bedarf in wechselnden Häusern eingesetzt.

Darüber hinaus erhalten Pflegekräfte in der Zeitarbeit deutlich mehr Gehalt und haben größere Freiheiten, was die Auswahl ihrer Arbeitszeiten und -schichten anbelangt. Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste umgehen.

Deshalb verlassen Pflegekräfte die Stammbelegschaft

  • Geringe Personalschlüssel
  • Hoher Druck auf die einzelnen Mitarbeitenden
  • Wenig Flexibilität bzgl. Arbeitszeiten & -schichten
  • Zu geringe Vergütung

Das Modell ist zum einen so erfolgreich und der Fachkräftemangel zum anderen so akut, dass laut einer Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) 83 Prozent aller Krankenhäuser im Jahr 2022 Zeitarbeitskräfte in der Pflege beschäftigt haben. Ohne die Variable Zeitarbeit wäre eine Versorgung der Patienten:innen in den Häusern nicht bzw. nur mit beispielsweise oben genannten Einschränkungen möglich gewesen.

Zeitarbeit in der Pflege deutlich teurer als Stammbelegschaft

Da Arbeitskräfte von Zeitarbeitsfirmen deutlich mehr kosten als Festangestellte, verursacht Zeitarbeit teils hohe Mehrkosten für Krankenhäuser und Einrichtungen. Laut DKI fielen die Personalkosten 2022 für Angestellte von Zeitarbeitsfirmen im Durchschnitt um 92 % höher pro Krankenhaus aus als für die eigenen Mitarbeitenden in vergleichbaren Positionen. Hinzukommt, dass etwa der finanzielle Mehraufwand im Pflegedienst nicht über das Pflegebudget vergütet wird. Allein die tarifvertragliche Vergütung vergleichbarer festangestellter Mitarbeitenden ist anteilig erstattungsfähig.

Infografik Zeitarbeit in der Pflege
Quelle: dki.de

Überwiegend negative Folgen durch Zeitarbeit in der Pflege

Die Tätigkeit bei Zeitarbeitsfirmen bringt persönliche Vorteile mit, die nicht von der Hand zu weisen sind: Pflegende können sich ihre Wunschschichten aussuchen, haben die Möglichkeit, auf Nacht- und Wochenendarbeit zu verzichten und erhalten eine bessere Bezahlung als die festangestellten und tarifvertraglich entlohnten Mitarbeitenden. Jedoch: Zunehmende Zeitarbeit in der Pflege kann zur Belastung für die Stammbelegschaft werden. Die unterschiedliche Entlohnung kann zu Unmut führen, ebenso die Ungleichverteilung der Arbeitszeiten. Und nicht nur das: Pflegende von Zeitarbeitsfirmen sind in der Regel nicht mit den Stationen, auf denen sie zum Einsatz kommen, vertraut und manchmal schlechter qualifiziert als die Stammbelegschaft. Die Einarbeitung der Zeitarbeitskräfte bindet personelle wie zeitliche Ressourcen und stört den Tagesablauf – zum Nachteil der Patienten:innen-Versorgung.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich laut DKI-Umfrage 40 % der Krankenhäuser für ein Verbot der Zeitarbeit in patienten:innen-nahen Berufen aussprechen und 50 % für eine stärkere Regulierung.

Geeignete Konzepte fehlen

Es ist ein deutliches Zeichen, wenn sich eine steigende Anzahl Pflegender für Zeitarbeitsfirmen entscheidet. Insbesondere hinsichtlich des akuten Fachkräftemangels in Kliniken und Pflegeeinrichtungen birgt der Trend das Risiko, dass ihm mehr Pflegende folgen und die Versorgung von Patienten:innen und Klienten:innen leidet.

Daher ist der politische Impuls nachvollziehbar, die Refinanzierung des Einsatzes von Zeitarbeit in Pflegeeinrichtungen eindämmen zu wollen. Durch die Reduzierung von Zeitarbeit soll die Stammbelegschaft geschützt werden. Hier merkt allerdings beispielsweise die DRK-Wohlfahrt an, dass das Problem des Fachkräftemangels in der Pflege zu gravierend ist, als dass sich Einrichtungen erlauben könnten, auf Zeitarbeitspflegende zu verzichten. Zu groß sei die Gefahr des Verlusts der Versorgungsqualität und somit die Sicherheit von Pflegebedürftigen. Zielführend wären nachhaltige und strukturell wirksame Reformen, die die Pflege dort unterstützten, wo Unterstützung notwendig wäre.

Neben einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie optimierten Arbeitsbedingungen dürften hier insbesondere der Abbau von Bürokratie und das Zurückfahren von pflegefremden Tätigkeiten an oberster Stelle stehen. Dies wäre ein wichtiger Schritt, damit Pflegekräfte wieder den Hauptteil ihrer täglichen Arbeitszeit für die Arbeit am und für den Menschen aufbringen können.

Wenn das Pflegepersonal aus einer Mischung aus Stammbelegschaft und Zeitarbeitskräften besteht, kann es darüber hinaus sinnvoll sein, die administrativen Arbeitsprozesse auf Station so einfach wie möglich zu gestalten, beispielsweise durch Einsatz einer digitalen Patientenakte.

Die digitale Patientenakte: Prozesse in Krankenhaus & Klinik digitalisieren

Welche Lösungen gibt es, um die Situation in der Pflege zu verbessern?

2019 trat das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) in Kraft, mit dem Ziel, die Situation des Pflegepersonals in Krankenhäusern, Pflegeheimen und in der ambulanten Pflege bedeutend zu verbessern.

Unter anderem umfasst das PpSG folgende Maßnahmen:

  • In der Krankenhauspflege wird jede zusätzliche Pflegekraft finanziert, ebenso werden Tarifsteigerungen und Auszubildende im ersten Ausbildungsjahr voll refinanziert
  • In stationären Pflegeeinrichtungen ermöglicht ein Sofortprogramm die Schaffung von 13.000 neuen Stellen
  • In der ambulanten Pflege sollen Tariflöhne auch für die häusliche Krankenpflege gelten und Wegzeiten besser entlohnt werden

Fakt ist: Das Thema Zeitarbeit in der Pflege ist komplex und ruft viele unterschiedliche Meinungen hervor. Wie denkst du darüber? Wir freuen uns über dein Feedback!