Der Landkreis Nordhausen, der Wartburgkreis und der Unstrut-Hainich-Kreis sind drei Landkreise in Thüringen mit insgesamt rund 310.000 Einwohnern:innen. Seit die Thüringer E-Government-Richtlinie die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung auf kommunaler Ebene regelt, haben sich die Landkreise zusammengetan, um Synergien zu erzeugen, eine gemeinsame elektronische Aktenverwaltung zu organisieren und eine digitale Vorgangsbearbeitung zu etablieren. Bei den d.velop public sector days 2023 in Kassel stellten die Kommunen nun ihre interkommunale Zusammenarbeit vor, beschrieben ihr Vorgehen bei der Einrichtung eines gemeinsamen Dokumentenmanagement-Systems (DMS), ihre digitale Kollaboration und klärten über den Nutzen der kommunalen Digitalisierung wie auch die Herausforderungen auf.
Aufgabe: Digitalisierung der Kommunen in Deutschland
„Wir hatten einen riesigen Eisberg vor uns – die Digitalisierung der Kommunen in Deutschland“, leitete Thomas Hertel, Sachbearbeiter Digitalisierung beim Unstrut-Hainich-Kreis, den gemeinsamen Vortrag bei den d.velop public sector days ein, und betonte: „Natürlich nahm sich auch die Thüringer Landesregierung dieser Aufgabe an.“ Seitdem gibt die Thüringer E-Government-Richtlinie die Marschroute für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung vor. Eine der Vorgaben zur Förderung dieser Projekte bestand darin, dass sich jeweils mindestens drei Kommunen zusammenschließen mussten.
E-Government-Serviceteam formuliert Zweckvereinbarung
So auch die Vertreter:innen des Kyffhäuserkreises, des Landkreises Nordhausen und des Unstrut-Hainich-Kreises. Sie führten erste Gespräche und bildeten Ende 2019 ein übergeordnetes E-Government-Serviceteam. „Anfang 2020 trat der Wartburgkreis diesem Serviceteam bei“, erinnert sich Hertel. „Es wurde eine Zweckvereinbarung formuliert, deren Kernziele die digitale Transformation der Verwaltungen betrafen: die gemeinsame Durchführung von Digitalisierungsprojekten, der Effizienzgewinn durch Aufgabenteilung und das Erzeugen von Synergien.“
Erstes Digitalprojekt: Online-Terminvergabe
Die Corona-Pandemie, erklärt Thomas Hertel weiter, habe den Anstoß für ein erstes Projekt gegeben: die Einführung einer Online-Terminvergabe. „Zuerst wurde eine erste Markterkundung durchgeführt“, beschreibt er den initialen Schritt. Im Anschluss erstellten die Landkreise ein Leistungsverzeichnis, das die Grundlage für die Ausschreibung bildete. Im Frühjahr 2021 wurde schließlich der Zuschlag erteilt.
Suche: DMS für interkommunale Zusammenarbeit
„Schnell wurde uns klar, dass wir diese Aufgabe nicht allein würden meistern können“, erzählt Thomas Hertel, „also beschlossen wir, einen Dienstleiter mit ins Boot zu holen, der uns bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung und bei der Ausschreibung zur Einführung des DMS unterstützen sollte.“ Der Landkreis Nordhausen führte dazu ein beschränktes Vergabeverfahren durch. Es wurden drei Anbieter angeschrieben, von denen einer im September 2021 als Dienstleister beauftragt wurde, um digitale Verwaltungsprozesse, und damit verbunden die Möglichkeit zur ortsunabhängigen Kollaboration, auf den Weg zu bringen und die papierlose Verwaltung einzuläuten.
Fünf Bieter nach EU-weiter Ausschreibung: d.velop erhält Zuschlag
In Online-Meetings durften die Fachdienste in den Landratsämtern die Anforderungen und Wünsche der einzelnen Mitarbeitenden sowie Bereiche äußern. „Diese Informationen flossen in das Leistungsverzeichnis ein und wurden ebenfalls in einen Kriterienkatalog aufgenommen“, beschreibt Hertel das weitere Vorgehen. Der Dienstleister führte dann eine EU-weite Ausschreibung durch. Den Zuschlag erhielt im März 2022 die d.velop.
Beginn des DMS-Projekts mit einer Themensammlung
Drei Projektteams, die innerhalb der einzelnen Landratsämter gegründet wurden, machten sich gemeinsam mit der d.velop an die Umsetzung und Implementierung des DMS, welches das gemeinsame Arbeiten an Dokumenten und ihre zentrale Ablage sowie Archivierung in der elektronischen Akte (eAkte) ermöglicht.
Um von einem regelmäßigen Austausch zu profitieren, findet man sich wöchentlich zusammen, um über die Herausforderungen bei der DMS-Einführung zu sprechen. Man spricht nicht mehr nur über das Thema DMS, Geschäftsprozesse und Prozessdigitalisierung, sondern auch über dahinterliegende IT-Infrastrukturen und flexible Arbeitsformen wie das Homeoffice.
Etablierte Organisationsstrukturen hinterfragen
Durch die interkommunale Zusammenarbeit und die Gespräche über DMS-Themen kamen viele andere Dinge ins Rollen. Eines der Kernthemen wurde organisationsübergreifend der gemeinsame Austausch über amtsinterne Organisationsstrukturen sowie die Art und Weise, wie Dinge angegangen werden. Es ging darum, funktionierende Lösungen, die in bestimmten Bereichen schon etabliert sind, auch für die anderen Kommunen nutzbar zu machen. Überdies begann man, über Synergien nachzudenken.
Beschluss: DMS steht im Mittelpunkt aller Digitalisierungsbemühungen
„Beim Netzwerken haben wir festgestellt, dass dabei auch dem DMS eine ganz zentrale Rolle zukommt“, erinnert sich Frank Schubert. „Daraus resultierend haben wir beschlossen, das Dokumentenmanagement-System in den Mittelpunkt all unserer Digitalisierungsbemühungen zu stellen.“ Vor allem aber wolle man mit dem Dokumentenmanagement einer Sache vorbeugen: „Viel zu oft erlebt man Schaufenster-Digitalisierung, was bedeutet, dass die Prozesse im Hintergrund nicht digitalisiert sind.“
Der Weg zur papierlosen Verwaltung
„Wir treten an, um der Verwaltung ihr Papier wegzunehmen“, erklärt Frank Schubert, „und zwar dauerhaft und unwiederbringlich.“ Ein Landkreis hat sich angeschaut, wie viele Posteingänge und -ausgänge es gibt. „Und dann haben wir den gesamten Post-Workflow neu gedacht.“
Die hausinterne Poststelle wurde in der Folge vergrößert – räumlich, personell und technisch. Auch das Aufgabenprofil wurde verändert und eine neue Organisationseinheit geschaffen. Ganz wichtig dabei sei es, die Mitarbeiter:innen entsprechend zu schulen.
Ziel: Gleiches Prozessmanagement an allen drei Standorten
Ein wichtiger Teilbereich, der immanent mit dem Dokumentenmanagement verbunden ist, sind digitale Verwaltungsprozesse, die es zu managen gilt. „Wir mussten dafür sorgen, dass zusätzliche personelle Kapazitäten geschaffen und Gelder zur Verfügung gestellt werden, um auch dieses vorbereiten und in die interkommunale Zusammenarbeit einbinden zu können“, sagt Frank Schubert. Das Idealbild: Das Prozessmanagement in allen Kommunen so zu gestalten, dass es an allen drei Standorten gleich funktioniert.
Weniger Verwaltungsprozesse, Bürokratie und Aufwand
„Weniger Verwaltungsprozesse, weniger Bürokratie, weniger Aufwand“, das sei das Ziel, erläutert Oliver Walter, Digitalisierungsbeauftragter des Landkreises Nordhausen. Darum beleuchte man digitale Verwaltungsprozesse gemeinsam, um zu schauen, wie es besser und vielleicht sogar einheitlich geht. Die Anzahl der Fachverfahren beläuft sich allein in den beteiligten Landkreisen auf 540. „Davon sind nur 10 einheitlich“, sagt Walter. „Eines dieser Fachverfahren haben wir gemeinsam vereinheitlicht, nämlich die Online-Terminvergabe.“
Vernetzte Verwaltung: Sprechen – streiten – sich weiterentwickeln
„Die interkommunale Zusammenarbeit hat dazu geführt, dass wir neue Projekte entwickelt haben, und das kam ganz automatisch“, verrät Oliver Walter. „Denn wir haben relativ schnell bemerkt, dass das ein ganzheitliches Projekt ist, bei dem es nicht nur um DMS geht.“ Die beste Hilfe in diesem Prozess „sind unsere Partner, unsere Nachbarn, mit denen wir uns auch mal diskutieren.“ Die meisten Sachen nämlich, die angegangen werden, sind den Beteiligten bisher nicht bekannt und nicht erprobt: sind die Innovationen.
Es sind Projekte, an denen die Beteiligten wachsen. „EVB-IT-Vertragsmanagement ist so eine Sache“, nennt Oliver Walter ein Beispiel.
Change Management und interkommunale Zusammenarbeit
Ein anderes Beispiel ist die neue Rolle des DMS als federführendes System im Amt. „Jede Information, die hereinkommt oder herausgeht, geht durch das DMS“, beschreibt Walter die Vision von der perfekten Umsetzung. „Die Fachverfahren sind ans DMS angebunden, nicht an ein Portalsystem. So würden wir das gerne umsetzen.“ Vorschlagen, darüber reden, auch verwerfen oder später umsetzen – „dazu rate ich, auch wenn es sein kann, dass wir es dann zwei Jahre später doch ganz anders machen.“
Kooperative Zusammenarbeit mit der eAkte: Plattformübergreifender Dokumentenaustausch im Public Sector
Alle Landratsämter, Verwaltungen und Eigenbetriebe können profitieren
„Da die digitale Transformation in allen Bereichen greift und wir übergreifend kommunizieren, ergibt es Sinn, wenn wir auch übergreifende Prozesse hätten und wüssten, wie das abläuft“, erklärt Walter. Er führt aus: „Dann fällt es allen viel leichter, diese Informationen miteinander zu vernetzen und den richtigen Workflow zu programmieren.“ Das vereinfacht dann auch den Datentransfer zwischen Organisationen.
Erfolg ist ansteckend und macht Schule
„Erfolg“, resümiert Walter, „ist ansteckend, macht Schule, begeistert und nimmt andere mit.“ Dadurch habe man nicht nur die d.velop Kunden in Thüringen, mit denen man sich regelmäßig treffe und über Projekte austausche, sondern tue dies auch außerhalb des DMS. „Aber nur so ist es uns gelungen, der Landesregierung klarzumachen, dass wir ein Prozessmanagement, wie zum Beispiel, Landeslizenzen für eine digitale Poststelle, benötigen, die uns im Umkehrschluss ein bisschen Last von den finanziellen Belastungen im Haushalt nehmen.“
Gesamter Vortrag im Video
PRAXIS-BERICHTE ZUR EAKTE